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Das Eichendorff-Denkmal in Ratibor –
auch ein »Mahn- und Testmal«

Der zehnte Jahrestag der Wiedererrichtung des Ratiborer Eichendorff-Denkmals in der vom Ring zum Bahnhof führenden, jetzt nach Mickiewicz – dem polnischen Nationaldichter und Zeit- genossen Eichendorffs – benannten Straße, wurde am 4. Septem- ber dieses Jahres groß gefeiert: mit einem Gottesdienst in der eingangs dieser Straße am Ring gelegenen Liebfrauenkirche, einem sich daran anschließenden Festakt vor dem Denkmal, einer Diskussion im Sitzungssaal des Rathauses über »Perspektiven der deutsch-polnischen Zusammenarbeit«, einem opulenten Mittags- mahl in einer Ausflugsgaststätte am Rand der Stadt, einer Vortragsveranstaltung im Stadtmuseum zum Thema »Europäische Integration im Grenzland dreier Kulturen – Das Schaffen und Werk Joseph von Eichendorffs und sein Einfluß auf den Integrationsprozeß« (parallel dazu fand im Hof des Ratiborer Schlosses ein Kulturfest statt) und zum guten Schluß einer Begehung der Eichendorff-Stätten in Lubowitz mit einem Abendessen im dortigen Kultur- und Begegnungszentrum.

Aus der Vielzahl der Ereignisse und Eindrücke sei etwas über die bemerkenswerte Predigt des Geistlichen Rats Wolfgang Globisch, des Beauftragten für die Seelsorge der Minderheiten in der Diözese Oppeln, beim Festgottesdienst festgehalten. Eichendorff und sein literarischer Nachlaß verdienten es nach seinen Worten, im Gedächtnis der Bewohner dieser Gegend zu bleiben: Wenn Ratibor und Oberschlesien in der literarischen Welt bekannt seien, dann wohl in besonderer Weise durch Eichendorff. In dem ihm zu Ehren errichteten Denkmal sei aber zugleich ein »Mahn- und Testmal« zu sehen. In der Bergpredigt werden wir daran erinnert, durch unser Leben ein Beispiel zu geben, ein Beispiel für die Umsetzung der Botschaft des Evangeliums; »man könnte sagen, wir sollen lebendige Denkmäler sein«, so Pfarrer Globisch. Der Apostel Paulus drücke dies im Bild des Säens aus. Dabei müsse uns bewußt werden, daß in Eichendorffs Lebenswerk eine herrliche Saat aus inniger, tiefer Verbundenheit mit Gott aufgegangen ist. Gerade in diesen ersten Septembertagen, an denen vielerorts der Opfer der teuflischen Saat der Kriege und seiner Folgen gedacht werde, können wir die Mahnung des Dichters besonders gut verstehen, die Schöpfung zu achten und die Heimat zu schätzen und zu lieben.

In gewissem Sinn stellten Denkmäler aber auch Prüfsteine dar für das Verhalten der Menschen, welches etwas aussage über ihre Kultur, ihre Bildung, ihre Denkweise. Dieser »Test« in den seit der Wiederherstellung des Denkmals verstrichenen zehn Jahren stelle der Ratiborer Bevölkerung ein gutes Zeugnis aus: Auch diejenigen, die an dieser Stelle lieber ein Denkmal für Adam Mickiewicz haben wollten, hätten sich letztlich als tolerant erwiesen. Der positive Ausgang dieses Tests sei ein Hauptgrund für die heutige Feier.

Pfarrer Globisch verband damit aber auch den Hinweis, daß es in einem christlichen Land ganz normal sein sollte, Menschen anderer Nationalität, Sprache, Religion, Herkunft und Weltanschauung zu achten; mehr noch: Man solle sich über die Bereicherung durch andere Kulturschätze freuen, sie schätzen und annehmen. »Zerstörung von Kulturgütern, Verachtung anderer Menschen, nur weil sie andere Wurzeln haben, ist nicht christlich, ist teuflisch«. Insofern beschäme es, wenn im Sejm und in verschiedenen anderen Länderparlamenten die größten Gegner der Minderheiten gerade den Parteien angehörten, die sich ihrer Katholizität rühmten.

Umrahmt wurde der Gottesdienst in bewährter Weise vom Gesang des Ratiborer Eichendorff-Chors. In den vorderen Reihen der Chorbänke nahmen am Gottesdienst teil (von links nach rechts) der Ratiborer Landrat Henryk Siedlaczek, der Vorsitzende der polnisch-deutschen Parlamentariergruppe im Sejm Dr. Jan Rzymeka, der frühere Ratiborer Stadtpräsident und jetzige Sejm-Abgeordnete Andrzej Markowiak sowie in der Bank dahinter (in Begleitung seines Neffen Clemens Prinz Croy) der Herzog von Ratibor Franz Albrecht von Metternich-Sandor und der frühere polnische Ministerpräsident und jetzige Europaabgeordnete Jerzy Buzek; ganz rechts im Bild ist noch der Sejm-Abgeordnete der deutschen Minderheit Henryk Kroll aus Gogolin zu sehen. Die vier Erstgenannten führten auch die Rednerliste bei der weltlichen Feier am Denkmal an. Von den Gästen, die sich auf der anderen Seite des Chors eingefunden hatten, seien hervorgehoben: Dr. Herbert Hupka, »Verdienter Bürger« Ratibors und Ehrenpräsident des Ostdeutschen Kulturrats, ferner der Sektionschef für Deutschland in der Europa-Abteilung des polnischen Außenministeriums Wojciech Pomianowski und der Vertreter des deutschen Generalkonsulats in Breslau, Konsul Horst Siffrin; die beiden letzteren sprachen auch ein Grußwort am Denkmal.

Zu den Chorbänken ist zu bemerken, daß sie der bescheidene Ersatz für das 1945 fast vollständig vernichtete kunstvolle Chorgestühl aus dem Jahr 1654 sind, das sein Vorbild in dem nur wenige Jahre zuvor entstandenen Chorgestühl der Krakauer Marienkirche hatte. An den Seitenwänden des Chorraums sind Bilder polnischer Heiliger und Seliger in großer Zahl angebracht, die anläßlich der Tausendjahrfeier der Christianisierung Polens im Jahr 1966 entstanden; in die Umrahmung der Bilder wurden erhalten gebliebene Elemente (Schnitzereien und figürlicher Schmuck) des alten Chorgestühls einbezogen. Über dem spitzbogigen Durchlaß zur Sakristei ist – eine versöhnliche Geste – die hl. Hedwig von Andechs, schlesische Herzogin und Schutzpatronin des Landes, mit ihren typischen Attributen zu sehen. Die Bilder links und rechts davon zeigen zwei ihr zugewandte Personen, den sel. Czeslaw (Ceslaus) und die sel. Bronislawa, »Stadtpatron von Breslau« der eine, »Schutzherrin der ruhmreichen polnischen Nation« die andere, wie den Beschriftungen zu entnehmen ist; beide stammen aus Oberschlesien (aus gleichem adeligen Geschlecht) und linderten in der Zeit der Mongoleneinfälle die Not der Menschen – wie die hl. Hedwig; Ceslaus soll auch deren Beichtvater gewesen sein.




Erschienen in:
»Schlesischer Kulturspiegel« 4/2004 der Stiftung Kulturwerk Schlesien


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