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Der »Taugenichts« kommt nach Lubowitz

Freitag, den 22. August 2003, am Vorabend des diesjährigen Ratiborer-Treffens, wird in dem nur wenige Kilometer von Ratibor entfernten Lubowitz, dem Geburtsort des Dichters Joseph von Eichendorff, eine dramatisierte Fassung seiner berühmten Novelle »Aus dem Leben eines Taugenichts« zu sehen sein. Schauplatz des Geschehens ist der grüne Hügel vor der Ruine des Eichendorff-Schlosses.

Dargeboten wird eine Szenenfolge für zwei Personen, für den Taugenichts und die von ihm angebetete und schließlich nach vielen Irrungen und Wirrungen heimgeführte Aurelie, in der Bearbeitung des Regisseurs Wolfgang Bauschmid und des Schauspielers Gerd Lohmeyer, der zugleich die Titelrolle spielt. Die Aurelie wird von der Gesangs- und Hackbrett-Solistin Marianne Kirch verkörpert. Die Darsteller und der Regisseur kommen aus München; das Stück wurde hierzulande wiederholt mit großem Erfolg aufgeführt. Die nötigen Mittel stellt das Münchner Haus des Deutschen Ostens aus dem Geschäftsbereich des bayerischen Arbeitsministeriums zur Verfügung, das letzthin auch die im Bergstadtverlag Würzburg erschienene zweisprachige – deutsch-polnische – Ausgabe des »Taugenichts« ermöglicht hat.

Die Vorstellung beginnt um 20 Uhr. Der Besuch ist eintrittsfrei. Auswärtige Gäste können im Eichendorff-Kultur- und -Begegnungs- zentrum am Rande des Schlossparks Quartier nehmen. Zimmerbestellungen werden unter der Telefon- und Fax-Nr. 0(048)32 410 6602 sowie der Telefon-Nr. 0(048)32 410 6776 entgegen- genommen. Bei schlechtem Wetter findet die Vorstellung in der nahen Pfarrkirche statt.

Erschienen in:
»SCHLESIEN HEUTE« 8/2003, Senfkorn-Verlag A. Theisen, Görlitz/Schlesien







Eichendorffs »Taugenichts« in Lubowitz
»Die Pfosten sind, die Bretter aufgeschlagen ...«

»Sie sitzen schon, mit hohen Augenbraunen, / gelassen da und möchten gern erstaunen.« Mit diesen Worten aus dem »Vorspiel auf dem Theater« in Goethes »Faust« begrüßte der für das Eichendorff-Kultur- und -Begegnungszentrum im oberschlesischen Geburtsort Lubowitz des Dichters bei Ratibor sich seit längerem engagierende Norbert Willisch am 22. August 2003 (dem Vorabend des diesjährigen Ratiborer Heimattreffens) im Schloßpark von Lubowitz die Besucher der szenischen Aufführung des berühmten Eichendorff’schen »Taugenichts«. Für die Bühne bearbeitet haben den Stoff der Regisseur Wolfgang Bau­schmid und der Schauspieler Gerd Lohmeyer aus München.

Prominente Gäste der »Premiere« auf der für diesen Zweck errichteten Freilichtbühne waren
  • der Herzog von Ratibor,
  • der Ehrenbürger von Ratibor (der »Stadt des jungen Eichendorff«), Herr Dr. Hupka mit seiner Gattin,
  • der Vertreter des deutschen Generalkonsuls aus Breslau, Herr Greim mit Gattin,
  • eine Reihe geistlicher Herren, u.a. Pfarrer Globisch (der Beauftragte für die Minderheiten­seelsorge in der Diözese Oppeln) und Pfarrer Dr. Rzega (der Ortspfarrer von Lubowitz) mit seiner Mutter,
  • die Vorsitzende des Deutschen Freundschaftskreises (DFK) im Bezirk Schlesien (früher Kattowitz), Frau Burdzik ...

An die launige Rede des Show-Masters Thomas Gottschalk vor drei Jahren zur Eröffnung des Eichendorff-Zentrums anknüpfend, bei der dieser aus dem Vorwort des Literaturnobelpreisträgers Hermann Hesse zu einer alten Ausgabe von Eichendorffs Novellen und Gedichten zitiert und einiges davon schalkhaft auf sich bezogen hatte, stimmte der »Gastgeber« mit einigen Passagen aus jenem Vorwort auf den Dichter und Menschen Eichendorff ein:

Die Familie der Freiherren von Eichendorff, aus Bayern stammend, war im 17. Jahrhundert nahezu ausgestorben, als einer ihrer Abkömmlinge sich in Schlesien niederließ. Dort, auf dem Schloß Lubowitz bei Ratibor, ist der Dichter Joseph von Eichendorff als zweiter Sohn seiner Eltern am 10. März 1788 zur Welt gekommen. (Die hierauf folgende feine Würdigung der Eltern des Dichters – besonders des meist zu schlecht wegkommenden Vaters – mußte aus Zeitgründen weggelassen werden.) Was später sein Wesen bestimmte, hat er aus dieser Familie und aus dieser an Wäldern reichen ländlichen Heimat mitgebracht: die Liebe zur Träumerei und Dichtung, zur Landschaft und vor allem zum Walde, die katholische Gläubigkeit und die Lauterkeit eines zarten, wohlerzogenen, vornehmen Herzens. Dazu erwarb er sich schon in früher Jugend mehr als gewöhnliche sprachliche und literarische Kenntnisse, trieb Latein, Polnisch, Französisch, Spanisch und zeigte schon als Knabe in Tagebüchern, Briefen und gelegentlichen Gedichten ein leichtes, angenehmes Formtalent, das zur Spielerei neigte und nicht ohne Gefahren für ihn gewesen wäre, hätte ihn nicht sein nobler, ritterlich reiner Charakter vor Eitelkeit und literarischer Streberei bewahrt. ... Nie hat Eichendorff eine Mode mitgemacht, nie hat er sich zu ihm nicht gemäßen Leistungen emporzuschrauben versucht, nie hat er sich interessant gemacht. Zwischen dem wilden Geniewesen mancher seiner romantischen Kameraden steht er freundlich, still und lächelnd wie ein Gast vom Lande, etwas verwirrt von dem Getriebe, aber seines eigenen Wesens und Wertes sicher und seiner angeborenen Liebe treu, der Liebe zum Frieden, zur Natur und zu einem Leben, wie er es in den Heimatjahren auf Schloß Lubowitz kennengelernt hatte.

Der Redner wies sodann darauf hin: »Nicht weit von hier, hinter Ihrem Rücken, befindet sich die Stelle, wo der junge Eichendorff im Jahr 1810 (22-jährig) Abschied von Lubowitz nahm und diesem Ort, dem sogenannten Hasengarten, eines seiner schönsten Gedichte gewidmet hat: ›O Täler weit, o Höhen, ...‹ , das in der Urfassung ›An den Hasengarten‹ hieß. Wie Sie sehen, ist die Allee zum Hasengarten, der Hasengang, künstlich beleuchtet, so daß Sie sich darin nachher etwas ergehen können.«

Zuletzt leitete eine Gruppe von Sängerinnen und Sängern des bekannten Ratiborer Eichendorff-Chors zur Vorstellung über mit dem zum Volkslied gewordenen »O Täler weit, o Höhen, …« , das den Abschiedsschmerz des Dichters nachempfinden lässt, und mit dem Frohen Wandersmann aus dem 1. Kapitel des »Taugenichts«, in dem die Freude und Unbeschwertheit seines Aufbruchs in die Fremde so unnachahmlich zum Ausdruck kommt.




»... und die Donau (resp. die Oder)
rauschte dazwischen herauf …«

Zum unvergeßlichen Erlebnis wurde allen am 22. August abends in den Schloßpark nach Lubowitz gekommenen Einheimischen und Gästen die Aufführung der für die Bühne bearbeiteten Eichendorff-Novelle »Aus dem Leben eines Taugenichts« durch den Schauspieler Gerd Lohmeyer und die Sängerin und Hackbrettistin Marianne Kirch aus der bayerischen Landeshauptstadt München. Es war eine traumhafte Szenerie in dem wildromantischen, langsam verdämmernden Schloßpark über dem Odertal: Rote Ziegelwände einer von Sträuchern bewachsenen und alten Bäumen umstandenen Ruine; im Scheinwerferlicht die über einem eingestürzten Gebäudeeck errichtete Bühne. Auf dem freien Rasenrund davor an die 500 erwartungsvolle Zuschauer, dicht gedrängt auf den bereitgestellten Stühlen und Bänken.

Zunächst begrüßte der Eichendorff-Freund und Initiator der Aufführung Norbert Willisch vom bayerischen Wissenschafts- und Kunst-Ministerium die Anwesenden und führte kurz in die Welt des hier geborenen und aufgewachsenen Dichters ein. Dank seiner Bemühungen war im Frühjahr eine deutsch-polnische Ausgabe des »Taugenichts« erschienen und in Lubowitz vorgestellt sowie in größerer Stückzahl an Lyzeen verteilt worden. Jetzt sollten die Oberschlesier das Werk auf der Bühne erleben. Mit den Liedern »O Täler weit, o Höhen« und »Wem Gott will rechte Gunst erweisen« stimmte der Eichendorff-Chor Ratibor darauf ein.

Wie von ungefähr aus dem Dunkel des Parks auftauchend, zog dann der den Taugenichts darstellende, ja geradezu verkörpernde Gerd Lohmeyer alle in seinen Bann. Er deklamierte und interpretierte den Eichendorff-Text stehend, sitzend, liegend, über die Bühne wirbelnd, laut und leise, verhalten und atemlos (ohne Zuhilfenahme eines Textbuches und ohne »Hänger« – allein schon eine bewundernswerte Leistung!) und ließ so die verschiedenen Schauplätze des Geschehens vor dem geistigen Auge des Zuschauers erstehen: erst eine Amtsstube, von wo aus sich der von der Regie dorthin versetzte Müllersohn davonmacht in Gottes weite Welt – Berge, Wälder, Schlösser, Gärten, Wirts­häuser, holprige Straßen – und nach vielen Irrungen und Wirrungen in die »heilige Stadt« Rom gelangt, um dann auf dem Heimweg, zuletzt per Schiff donauabwärts Richtung Wien, unversehens im »Hafen« der Ehe zu landen. Mal quälte er dazu seine Geige, mal entlockte er ihr bezaubernde Töne; wohingegen seine Partnerin, die »holde Frau Aurelie«, im wallenden weißen Gewand, engelhaft, zumeist aus luftiger Höhe durch den Wohllaut ihrer Stimme und virtuoses Hackbrettspiel betörte. Besonders anrührend das die Italiensehnsucht des Taugenichts ausdrückende »Tiritomba« und das deutsche Volkslied »Die Gedanken sind frei, wer kann sie erraten?« sowie das zarte Liebeslied »Wenn ich ein Vöglein wär’ und auch zwei Flügel hätt’, flög’ ich zu dir« aus »Des Knaben Wunderhorn« in der Vertonung von Johann Friedrich Reichardt.

Das Spiel machte in der Tat, wie Thomas Mann empfand, »daß einem die Ohren klingen und der Kopf summt vor poetischer Verzauberung und Verwirrung«. Dazu bedurfte es keiner aufwendigen Kostümierung und nur weniger Requisiten: eines Kanzleirocks mit Ärmelschonern, eines Bündels verstaubter Akten (die nicht nur heftig gestempelt, sondern – welch köstlicher Einfall – auch zu Blumen gefaltet werden), eines Schlafrocks und Hutes, eines Garderobenständers, einer Tür mit Sichtfenster (hinter dem die geliebte Aurelie zunächst als lebendes Bild erscheint, ehe sie den Raum betritt), eines (auch als Kutschbock dienenden) Stuhls und eines Tisches (auf dem der Taugenichts u.a. wie Goethe auf dem bekannten Tischbein-Bild vor der Landschaft der Campagna posiert und voller Überschwang das lange nachklingende »Sie liebt mich!« hinausschreit), schließlich einer Flasche Wein zum stillen Genießen. Aus der Illusion in die Wirklichkeit zurückgeholt wurde man am Ende – passend zum Schluß der Novelle, wo der Dichter »Leuchtkugeln ... vom Schloß durch die stille Nacht« fliegen läßt – durch das Krachen, Zischen, Prasseln eines über der Schloßruine sich entfaltenden Feuerwerks.

Die Aufführung des »Taugenichts« am Herkunftsort Eichendorffs war ein großes, beglückendes und zum Nachdenken anregendes Ereignis. Die in Ratibor herausgegebene Zeitung »Nowiny Raciborskie« spricht in ihrer Ausgabe vom 3. September 2003 von einem »spektakulären künstlerischen Ereignis« in »märchenhafter Szenerie«. Erzbischof Nossol aus Oppeln, der die Vorstellung zu seinem Bedauern wegen eines Auslandstermins nicht besuchen konnte, sich aber von begeisterten Angehörigen davon berichten ließ, sieht darin »ein herrliches Geschenk an die Heimat« und einen Beitrag »zum Aufleben der Hochkultur in Oberschlesien«. Dafür ist den Akteuren, Organisatoren und Geldgebern (insbes. dem Haus des Deutschen Ostens München aus dem Geschäftsbereich des bayerischen Arbeits- und Sozialministeriums) von Herzen zu danken.

Adolf Kühnemann / Norbert Willisch




Erschienen in:
»Schlesischer Kulturspiegel« 4/2003 der Stiftung Kulturwerk Schlesien, Würzburg





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