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Grußwort zum Festkolloquium »300 Jahre Dualsystem (G.W. Leibniz 15. März 1679)« am 21. März 1979
veranstaltet von der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und ihrer Kommission für Informationsverarbeitung

(Entwurf für die Staatssekretärin im Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus Dr. Mathilde Berghofer-Weichner)



I.

»Ich habe so viele Einfälle, die vielleicht später von Nutzen sein werden, wenn sich eines Tages gründlichere Leute als ich eingehend mit ihnen beschäftigen und ihre schönen Gedanken mit meinen Mühen vereinen.“ Diese Worte sind von einem Mann überliefert, dessen Andenken wir hier und heute ehren wollen. Heute vor einer Woche jährte sich zum 300. Mal der Tag, an dem er als Herzoglicher Rat und Bibliothekar am Hof Johann Friedrichs von Braunschweig-Lüneburg zu Hannover seinem Tagebuch eine dieser Ideen anvertraute, die über die Jahrhunderte nachwirken und sich erst in unserer Zeit voll entfalten sollte. Gemeint ist die mit »De Progressione Dyadica« überschriebene Aufzeichnung, zu Deutsch »Das dyadische Zahlensystem« (auch Dual- oder Zweiersystem genannt – das einfachste aller Zahlensysteme, zu dessen Darstellung man nur der Ziffern Null und Eins bedarf). Der Name des Mannes: Gottfried Wilhelm Leibniz. Obwohl erst 33-jährig, bereits Mitglied der Royal Society of London, durch ausgedehnte Reisen mit der gelehrten Welt Europas bekannt und durch einen weitgespannten Briefwechsel verbunden, war er dabei, den Grund für den berühmten Ausspruch zu legen, ›er stelle für sich eine ganze Akademie dar‹. Seine Aufnahme in die Royal Society stand im übrigen im Zusammenhang mit einer Vorführung der von ihm erdachten ersten mechanischen Rechenmaschine mit maschineller Multiplizier- und Dividier-Einrichtung (anhand eines Funktionsmodells). Darüber und über die Tatsache, daß Leibniz als erster die Verbindung zwischen Dualsystem und dem maschinellen Rechnen herstellte, sowie von der Ausstrahlung dieser Ideen und der ihnen innewohnenden Möglichkeiten wird heute aus berufenem Munde zu hören sein. Wir sind der Bayerischen Akademie der Wissenschaften hierfür zu außerordentlichem Dank verpflichtet.



II.

Aber was ist der Anlaß, uns gerade hier in München, an diesem Ort, zu einem solchen Festkolloquium zusammenzufinden? Ich sehe dafür im wesentlichen zwei Gründe:
Zum einen ist es der Name von Leibniz, welcher von der Bayerischen Akademie der Wissenschaften für das von ihr in unmittelbarer Nachbarschaft betriebene Rechenzentrum gewählt wurde, der hierzu verpflichtet. Zum anderen wollen wir der Freude darüber Ausdruck geben, daß der Ausbau dieses Rechenzentrums (beinahe) abgeschlossen ist, so daß es sich nun auch in äußerer Hinsicht seines Namensgebers würdig erweist. Eingeweihte werden wissen, was es mit dem eben gebrauchten Wörtchen ›beinahe‹ auf sich hat und daß die Entdeckung des großen Leibniz für uns eigentlich etwas zu früh (im Jahr) datiert. Er würde dafür, glaube ich, besonderes Verständnis haben, denn – wie ich mir sagen ließ – hatte auch seine Rechenmaschine einige Tücken, die erst nach und nach behoben werden konnten.

Seit über 12 Jahren ist das »Leibniz-Rechenzentrum« unter diesem Namen in der wissenschaftlichen Welt bekannt. Es ist der Mühe wert, sich etwas zurückzuerinnern: Die Benennung erfolgte am 26. Juli 1966 durch einstimmigen Beschluß der Kommission für elektronisches Rechnen (so ihre damalige Bezeichnung) der Bayerischen Akademie der Wissenschaften; damit solle – wie zum Ausdruck gebracht wurde – nicht nur der Erbauer der ersten mechanischen Rechenmaschine für alle vier Spezies, sondern vor allem auch der Begründer der Theorie der formalen Sprachen geehrt werden, der eine überragende Bedeutung in der modernen Datenverarbeitung zukommt. Aus diesem Anlaß fand im übrigen ebenfalls ein Festkolloquium statt, auf dem namhafte Gelehrte zu dem Thema »Rechenanlagen in der Wissenschaft« sprachen. Weitere fünf Jahre zuvor hatte der Gedanke Gestalt angenommen, das bislang so erfolgreiche Wirken auf dem Gebiet des elektronischen Rechnens in München (insbesondere seitens der Technischen Hochschule) durch die Errichtung eines gemeinsamen wissenschaftlichen Rechenzentrums für Universität und Technische Universität sowie das Max-Planck-Institut für Physik und Astrophysik in Garching zu krönen und es einer ›Art Kommission bei der Akademie‹ zu unterstellen, wie der seinerzeitige Rektor der Universität München und nachmalige Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), Prof. Julius Speer, vorgeschlagen hatte; die Akademie sah er dabei als ›gleichwertigen Partner‹ und zugleich als ›Treuhänderin‹ an. Der Gedanke fand allseitige Zustimmung, die Vorteile dieser Lösung wurden in einem Memorandum des Ministeriums gegenüber den anderen Alternativen hervorgehoben; dies führte noch im selben Jahr dazu, daß die mathematisch-naturwissenschaftliche Klasse der Bayerischen Akademie der Wissenschaften die Kommission für elektronisches Rechnen ins Leben rief.

Sie werden vielleicht fragen, was Leibniz mit der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, mit München oder Bayern sonst zu tun hat. Darauf ist zunächst zu erwidern, daß ein Geist wie Leibniz von keiner Einrichtung, keiner Stadt und keinem Land für sich allein in Anspruch genommen werden soll und kann. Doch offenbar ist man sich gerade in München, einem Zentrum der Datenverarbeitung wie der Datenverarbeitungsindustrie mit vielfältigen Verbindungen nach außen (wovon nicht zuletzt der Besuch von Professor Hamming aus den USA zeugt, den wir herzlich begrüßen dürfen) der Bedeutung Leibniz’ für die Datenverarbeitung in besonderer Weise bewußt geworden. Hierfür spricht auch eine im Jahr 1966 zur 250. Wiederkehr des Todestages von Leibniz in München erschienene Schrift mit dem Titel »Herrn von Leibniz’ Rechnung mit Null und Eins«, in welcher der ›Aufdeckung der binären Welt‹ durch Leibniz nachgespürt wird und Prof. Heinz Gumin, der weitere Festredner des heutigen Tages, sich mit den »Mathematischen Grundlagen der Dualzahlen und ihrer Bedeutung für die Technik der Datenverarbeitung« beschäftigt.

Was das Verhältnis Leibniz’ zu den Akademien der Wissenschaft betrifft, so ist darüber viel geschrieben worden: Sie gehen zumindest im deutschen Sprachraum auf seine Ideen zurück. Die Berliner Akademie der Wissenschaften konnte bereits als erste dieser Einrichtungen zu seinen Lebzeiten verwirklicht werden – Leibniz war ihr erster Präsident.

Und seine Beziehung zu Bayern, zu München? Nachdem man ihm in Leipzig angeblich aufgrund seiner Jugend – er war 20 – die Promotion verweigert hatte, ging er kurzentschlossen an die Universität Altdorf bei Nürnberg, der Vorläuferin der heutigen Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen, wo man ihm unter der Bewunderung der Professoren für eine Arbeit über eine neue Lehrmethode für die Rechtswissenschaft die Doktorwürde verlieh und ihm eine Professur antrug, die er allerdings ausschlug. Nach München, an die Kurfürstliche Bibliothek, führte ihn später eine Reise im Zusammenhang mit seiner Arbeit an der Geschichte des Welfenhauses, jenes Geschlechts, das etwa unter Heinrich dem Löwen – einem Vorfahren seines herzoglichen Auftraggebers – über das Doppelherzogtum Bayern und Sachsen gebot. Er sollte dieses Werk übrigens nie vollenden. Von seiner Aufgabe als Hofbibliothekar hatte er ohnehin eine eigenwillige, für die Leitung eines Rechenzentrums (das in seiner Funktion gern mit einer Bibliothek verglichen wird) keineswegs vorbildliche Auffassung: Man erzählt sich, er sei höchst ungehalten gewesen, wenn jemand auf die absonderliche Idee kam ein Buch zu entleihen.

Nach diesem Exkurs ins Allgemein-Historische nun zurück zu dem zweiten, mehr intimeren Anlaß dieser Feier. Mit Genugtuung läßt sich vermerken, daß der Ausbau unseres Leibniz-Rechenzentrums zu einem adäquaten Instrument für Lehre und Forschung der Münchner Hochschulen und darüber hinaus vor dem Abschluß steht. Vorbei die Zeiten, da man bezüglich der zur Verfügung stehenden Rechenkapazität stets neidvoll nach Hannover oder auch nur über den Zaun nach Garching blicken mußte, wo die Max-Planck-Gesellschaft mit einem eigenen Großrechnerzentrum mittlerweile einen eigenen Weg gegangen war. Große Anstrengungen waren nötig, um den bestehenden Bedarfsstau abzubauen und den Weg für eine kontinuierliche Entwicklung zu bahnen. Land und Bund haben dabei in vertrauensvoller Weise zusammengewirkt, bei der Beschaffung der Rechenanlagen, bei der Durchführung der damit verbundenen nicht unerheblichen Baumaßnahmen. Das Verhältnis zwischen der Akademie und den beiden Universitäten hat unter den zuweilen aufgetretenen Belastungen nicht gelitten, die gewählte Organisationsform unter der Trägerschaft der Akademie kann als geglückt angesehen werden. An die Stelle der einseitigen Kostgängerschaft bei der Max-Planck-Gesellschaft ist ein auf gegenseitige Hilfe angelegtes Verhältnis getreten. Also eine durchwegs erfreuliche Bilanz. Ich kann nur wünschen, daß auch die noch bestehenden Schwierigkeiten bei der apparativen Ausstattung bald behoben sein werden.



III.

Mit einem Dank an alle Beteiligten und den besten Wünschen für ein gutes Gelingen dieser Veranstaltung, auch im Namen von Herrn Staatsminister Prof. Hans Maier, darf ich enden.




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