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Kultur- und
Begegnungszentrum

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Ehrenmedaille des
Eichendorff-Zentrums

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Verdienstkreuz für
Leonhard Wochnik

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Wiederaufbau des
Schlosses?

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Zweisprachige
Ortsbezeichnung

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Nachruf auf
Leonhard Wochnik

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»Wir sehnen uns nach Hause und
wissen nicht, wohin?«

Oberschlesisches Eichendorff-Kultur- und -Begegnungszentrum in Lubowitz eingeweiht

Es war ein großer Tag für Lubowitz (polnisch Lubowice) bei Ratibor (Racibórz), den Geburtsort Joseph von Eichendorffs, als dort am 12. Juli dieses Jahres das zu einem Kultur- und Begegnungszentrum umgebaute alte Gasthaus mit einem Festgottesdienst in der Pfarrkirche und einer anschließenden Feier im Saal des Hauses eingeweiht und eröffnet wurde.

Den ökumenischen Gottesdienst in der bis auf den letzten Platz besetzten Kirche hielt Erzbischof Prof. Dr. Alfons Nossol, der Oberhirte der Diözese Oppeln, zusammen mit zwei katholischen Geistlichen, darunter dem bekannten Ortspfarrer Heinrich Rzega, zwei evangelischen Pfarrern und einer ebensolchen Diakonin. Der Ratiborer Eichendorff-Chor umrahmte die Feier mit abwechselnd deutschen und polnischen Liedern. Auch die Gebete, Lesungen und Predigten folgten diesem Muster. Erzbischof Nossol stellte seiner Predigt Worte Joseph von Eichendorffs und des niederschlesischen Barockdichters Andreas Gryphius voran: Wo ein Begeisterter steht, ist der Gipfel der Welt! und Wach auf, mein Herz, und denke... Häufig reiche der Verstand allein nicht aus, es müsse auch das Herz beteiligt sein – so der Erzbischof. Gerade in Zeiten, in denen viele nur noch an das materielle ­Wohlergehen dächten und die Ethik Gefahr laufe, von der »Monetik« verdrängt zu werden, zeige Eichendorff den Weg zum wahren Menschsein auf. Seine Liebe zur Heimat und zu den Menschen war untrennbar mit der Liebe zu Gott als dem Urquell der Liebe verbunden. Mit Blick auf die großen Unterschiede im Leben und Denken zwischen dem Osten und dem Westen unseres Kontinents erinnerte der Erzbischof an den Ausspruch Papst Johannes Paul II., das vereinte Europa müsse eine »Gemeinschaft des Geistes werden, die mit beiden Lungenflügeln atmet«. Dank der drei geschichtlichen Kulturdimensionen Schlesiens, der polnischen, mährischen und deutschen (Eichendorff hat beispielsweise Volkslieder in diesen drei Sprachen gesammelt), sei die Heimat direkt dazu prädestiniert, Brücke zwischen Ost und West zu sein.... Während Erzbischof Nossol seine Predigt zunächst auf Deutsch und dann auf Polnisch hielt, fand sich leider niemand, der die darauffolgende Predigt des evangelischen Pfarrers Zbigniew Kowalczyk aus Rybnik ins Deutsche übersetzt hätte.

Nach dem Gottesdienst ging es in einer langen, von einer Blaskapelle, Fahnenträgern sowie den Geistlichen und zwölf Ministranten angeführten Prozession zum Begegnungshaus. Unter den Klängen der Blasmusik und des Eichendorff-Chors wurden das Haus und das dem Dichter gesetzte Denkmal davor eingeweiht.

Zur anschließenden Feier im Begegnungshaus spielte eine deutsche Kindergruppe aus Preußisch Krawarn (Krowiarki) auf. Im großen Saal konnte der Geschäftsführer des »Verbands der deutschen sozial-kulturellen Gesellschaften in Polen« (VdG) aus Oppeln Dipl.-Ing. Joachim Niemann über hundert geladene Gäste, die an vier langen Tischreihen Platz genommen hatten, begrüßen, einige davon namentlich: so Erzbischof Nossol und die Mitzelebranten des Gottesdienstes, den Beauftragten der deutschen Bundesregierung für Aussiedlerfragen Jochen Welt und die ihn begleitenden Herren, den Generalkonsul der Bundesrepublik Deutschland in Breslau Dr. Peter Ohr, eine Vertreterin des Polnischen Kulturministeriums, zwei Angehörige des Bayerischen Arbeits- und Sozialministeriums, den Vizemarschall der Wojewodschaft Oppeln, mehrere Landräte und Bürgermeister, Vertreter der Landsmannschaft der Oberschlesier aus der Bundesrepublik Deutschland, Professorinnen und Professoren der Universitäten Oppeln und Kattowitz sowie des Eichendorff-Konversatoriums Oppeln und andere mehr – insbesondere den Überraschungsgast, der schon in der Kirche und danach die Blicke vieler sowie Fotografen und »Autogrammjäger« auf sich gezogen hatte, den vom deutschen Fernsehen her bekannten Entertainer Thomas Gottschalk.

Herr Niemann gab sodann einen Überblick über das Zustandekommen der »Stiftung Oberschlesisches Eichendorff-Kultur- und -Begegnungszentrum« und den langen Weg der gerichtlichen Registrierung, der erst am 13. Juni dieses Jahres seinen Abschluß fand. Dabei setzte er jedoch die Kenntnis der Ziele und Aufgaben der Stiftung sowie deren Zusammensetzung voraus. Für den damit nicht vertrauten Leser sei hier kurz darauf eingegangen. Die Stiftung sieht ihre Aufgabe in der Pflege des gesellschaftlichen und kulturellen Lebens der deutschen Minderheit; sie will ferner wissenschaftliche Forschungen zur Kultur, Kunst, Geschichte und Landeskunde Oberschlesiens fördern sowie die Kenntnisse über Leben und Werk Joseph von Eichendorffs verbreiten und dadurch – wie es in der Satzung heißt – sein geistiges Erbe für die regionale, nationale und europäische Kultur und das friedliche Zusammenleben der Völker nutzbar machen. Träger der Stiftung sind der Lubowitzer Eichendorff-Verein und die Gemeinde Rudnik (zu der Lubowitz gehört), die sozial-kulturellen Gesellschaften der Deutschen in den Bezirken Oppeln und Kattowitz (mit Sitz in Oppeln und Ratibor) sowie die Dachorganisation VdG der sozial-kulturellen Gesellschaften der Deutschen in Polen (mit Sitz in Oppeln).

Danach berichtete Herr Leonhard Wochnik, der Vorsitzende und Mitbegründer des Lubowitzer Eichendorff-Vereins und stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Eichendorff-Stiftung, über die Geschichte des Hauses und der »Eichendorff-Bewegung«. Danach ist der Eichendorff-Verein bereits im Jahr 1990 gegründet und das Gebäude des früheren alten Gasthauses, das der Gemeindegenossenschaft nach dem Krieg als Lager und Stallung gedient hatte, 1993 mit finanzieller Hilfe des Freistaats Bayern und der »Stiftung Haus Oberschlesien« in Ratingen bei Düsseldorf erworben worden. Eine 1995 vom Deutschen Auswärtigen Amt bei Prof. Dr. Walter Müller-Seidel von der Universität München in Auftrag gegebene gutachtliche Stellungnahme zu den Eichendorff-Gedenkstätten in Lubowitz/Ratibor und zu den Möglichkeiten ihres Ausbaus wies schließlich die Richtung für die weiteren Bemühungen. Dies führte zur Gründung der vorgenannten Stiftung und Fixierung ihrer Ziele sowie zur Bewilligung der nötigen Gelder für den Um- und Ausbau des alten Gasthauses durch das Bundesministerium des Innern. Hierfür wurde die stolze Summe von 1,8 Mio. DM aufgewendet. Entstanden ist ein Haus, das bis zu 50 Personen unterbringen und beköstigen kann sowie Veranstaltungen für bis zu 150 Personen erlaubt.

Aufgrund eines für das erste Anlaufjahr erstellten Plans der zu erwartenden Einnahmen und Ausgaben sähen die Organe der Stiftung (Vorstand und Kuratorenrat) die Möglichkeit, das Begegnungshaus selbst zu betreiben, also nicht an eine Hotelkette zu verpachten, wovon immer wieder die Rede sei. Allerdings werde der Betrieb des Hauses, wie Herr Wochnik ausführte, nicht so viel Geld abwerfen, daß sich daraus auch die Anstellung eines Kulturleiters und die Durchführung eines anspruchsvollen Kulturprogramms voll finanzieren, also die zweite »Säule« des Kultur- und Begegnungszentrums errichten ließe. Für die Renovierung und Ausstattung des nebenan stehenden früheren Schulgebäudes zu Schulungs- und Ausstellungszwecken und die Einrichtung einer Bibliothek sowie für die Gestaltung der Außenanlagen wären darüber hinaus weitere erhebliche Mittel erforderlich. Damit verband Herr Wochnik die Bitte an die deutsche Bundesregierung, die Stiftung noch so lange zu unterstützen, bis man auf eigenen Füßen stehen könne. Abschließend dankte er allen, die am Zustandekommen des bisher Erreichten beteiligt waren, und übergab Herrn Welt als Zeichen des Dankes für die außerordentlich wichtige bisherige Hilfe und zur Erinnerung an den Aufenthalt in Lubowitz ein gerahmtes Bild mit einer Aufnahme der Schloßruine.

Der Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen (und Bundestagsabgeordnete) Jochen Welt erinnerte in seinem Redebeitrag daran, daß der Ausbau der Eichendorff-Gedenkstätten in Lubowitz auf der »Gemeinsamen Erklärung« vom 14. November 1989 der damaligen deutschen und polnischen Regierungschefs Kohl und Mazowiecki beruht. Im übrigen stellte er seine Ausführungen in den Kontext der geplanten Osterweiterung der Europäischen Union. Das heute seiner Bestimmung übergebene Haus könne von der Dynamik der Annäherung beider Länder profitieren und diese durch seine Arbeit unterstützen. Dabei lasse sich an die lange gemeinsame Geschichte von Deutschen und Polen in Oberschlesien anknüpfen. Er gehe davon aus, daß Polen im Innern mit seiner deutschen Minderheit das praktiziere, was es zwischenstaatlich anstrebe. In der Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Polen und der Bewahrung des gemeinsamen kulturellen Erbes sehe er jedoch auch Herausforderungen, denen sich die deutsche Minderheit stellen müsse, wenn sie Mittler zwischen dem deutschen und dem polnischen Volk sein will. Die Bundesrepublik Deutschland werde der deutschen Minderheit in der Republik Polen weiterhin zur Seite stehen: So würden in diesem Jahr neben 14 Mio. DM aus dem Bundeshaushalt noch 29 Mio. Zoty bei der »Stiftung für die Entwicklung Schlesiens und Förderung lokaler Initiativen« für Hilfen an die deutsche Minderheit in Polen zur Verfügung stehen. Die Vergabe der Mittel müßte jedoch mehr denn je von einem breiten Konsens in der Region getragen werden, d.h. in die Planungen der Wojewodschaft passen. Über die »Deutsche Gesellschaft für technische Zusammenarbeit« in Eschborn, die sich federführend um den Bau der Begegnungsstätte und die Registrierung der Eichendorff-Stiftung gekümmert habe, werde gegenwärtig auch versucht, eine geeignete Fachkraft zur Umsetzung der kulturellen Ziele der Stiftung zu gewinnen. Herr Welt schloß mit der Erwartung, daß die geleistete und noch zu leistende Arbeit zu einer weiteren Verbesserung der nachbarschaftlichen Beziehungen zwischen Minderheit und Mehrheit und damit zur Vertiefung der Beziehungen zwischen Deutschland und Polen beitragen werde.

Als Vertreter des Bayerischen Arbeits- und Sozialministeriums, das hierzulande für »grenzüberschreitende ostdeutsche Kulturarbeit« zuständig ist, überbrachte dann Ministerialrat Dr. Rösner-Kraus die Grüße von Frau Staatsministerin Barbara Stamm. Er rief insbesondere den Besuch ihres Vorgängers Dr. Gebhard Glück im Jahr 1990 in Oberschlesien und Lubowitz in Erinnerung, durch den und mittels der im Anschluß daran aus Bayern zur Verfügung gestellten Gelder gewissermaßen der Grund für die jetzt zu einem vorläufigen Abschluß gekommenen Ausbauarbeiten gelegt wurde. Eichendorff habe im Herzen vieler Bayern und in der vom bayerischen König Ludwig I. erbauten Walhalla bei Regensburg einen Ehrenplatz. Bayern werde sich auch in Zukunft für Oberschlesien und besonders für die Eichendorff-Stätten in Lubowitz engagieren.

Der Ratiborer Landrat Dr. Marek Bugdol stattete in seinem (nicht ins Deutsche übersetzten) Grußwort (wie ich mir sagen ließ) im wesentlichen den Dank für die vielfältigen Beiträge zum gelungenen Werk ab und würdigte dabei vor allem die Verdienste von Herrn Wochnik und seiner Familie.

Schließlich war es auch mir als »Sponsor« gestattet, ein paar Worte an die Festversammlung zu richten. Ich bedankte mich im Namen der Mitspender für die feierliche Einweihung des Eichendorff-Denkmals vor dem Begegnungshaus und hob eine Spenderin, die ehemalige Ratiborerin Maria Gerwitz, besonders hervor, die mit ihren Monat für Monat von der bescheidenen Rente abgezweigten Beträgen wesentlich mitgeholfen hat, das Denkmal zu finanzieren. Ferner machte ich auf die großzügige Spende des aus Gleiwitz stammenden Diplomingenieurs und Architekten Marius Schlesiona aufmerksam, der in den Jahren 1992/93 auf Eichendorffs Spuren unterwegs war und die dabei zur Illustration der zweisprachigen (deutsch-polnischen) Schrift »Ein Lebensbild – Obraz zycia« über den Dichter geschaffenen 24 Grafiken allesamt für das Begegnungshaus gestiftet hat, wo sie mittlerweile schön gerahmt und hinter Glas die Wände schmücken. Dank der wiederum vom Freistaat Bayern (vom Arbeits- und Sozialministerium und vom Kultusministerium) bereitgestellten Mittel konnte ich eine verbesserte Neuauflage der mittlerweile vergriffenen Schrift ankündigen, die der Begegnungsstätte abermals zum Verkauf an Besucher und zur kostenlosen Abgabe an interessierte Schulen in ihrem Umkreis überlassen werde. Ein an alle Anwesenden verteiltes Blatt zeigte auf, wie die Schrift in etwa aussehen und worin sie sich von ihrer Vorgängerin unterscheiden wird: beispielsweise durch ein farbiges Jugendportrait des Dichters als Titelbild, ein Vorwort des Literaturwissenschaftlers und großen Eichendorff-Kenners Prof. Dr. Wolfgang Frühwald von der Universität München sowie eine neue, gereimte Übersetzung der Eichendorff-Gedichte im Anhang der Schrift vom derzeitigen Direktor des Polnischen Instituts in Wien Jacek St. Buras.

Als Gastgeschenke für das Begegnungshaus bzw. das Eichendorff-Museum nebenan übergab ich sodann einen Handabzug des bekannten Kugler’schen Eichendorff-Portraits von der kürzlich bei einem Münchner Kunstverlag entdeckten originalen Kupferplatte aus dem Jahr 1853, eine vergrößerte Aufnahme der Vorder- und Rückseite des im gleichen Jahr vom bayerischen König Maximilian II. an Eichendorff verliehenen Maximilians-Ordens für Wissenschaft und Kunst sowie aus dem Bayerischen Hauptstaatsarchiv München Faksimiles des vom Ordensstifter unterzeichneten Dekrets und des dazugehörigen Revers mit der Unterschrift des Dichters. Das als kleine Kostbarkeit in der Münchner Residenz verwahrte Dankschreiben Eichendorffs an den König scheint im letzten Krieg verlorengegangen zu sein. Deswegen konnte lediglich anhand sekundärer Quellen daraus zitiert werden. Eichendorff beteuerte darin »ehrfurchtsvoll..., daß es das freudigste Ereignis meiner langen literarischen Laufbahn ist, meine Bestrebungen auf dem poetischen Gebiete noch am Abend meines Lebens von einem so hocherleuchteten Monarchen so gnädig gewürdigt zu sehen«.

Um Herrn Wochniks Bitte um eine Anschubfinanzierung zur Verwirklichung insbesondere der kulturellen Ziele des Eichendorff-Zentrums Nachdruck zu verleihen und den Tendenzen zur Verselbständigung des Übernachtungs- und Gastronomie-Betriebs entgegenzuwirken, griff ich noch einige Punkte der gutachtlichen Stellungnahme von Prof. Müller-Seidel zu den Eichendorff-Gedenkstätten aus dem Jahr 1995 auf. Dort heißt es z.B., daß in den Räumen des auszubauenden Gebäudes geistige Inhalte zur Sprache gebracht werden müßten, die den Ausdruck »Kultur-Zentrum« rechtfertigen. Die Wirtschaftsführung, so die mahnenden Worte des Gutachters, dürfe nicht verselbständigt, sondern müsse den kulturellen Zwecken unterordnet werden. Ohne eine »Personalzugabe« sei auf die Dauer nicht auszukommen, d.h. ohne einen Geschäftsführer, welcher in Personalunion der Trägerschaft zu dienen hätte, der die Wirtschaftsführung obliegt, sowie dem für das überregionale Kulturprogramm wissenschaftlichen Charakters (einschließlich der Spracharbeit) zuständigen Kuratorium. Die Durchführung eines anspruchsvollen Kulturprogramms erfordert überdies zusätzliches Geld. Deshalb hielt und halte ich es für unerläßlich, hierfür staatlicherseits eine Starthilfe zu gewähren, etwa in Form eines laufenden Zuschusses oder besser, einen Kapitalstock anzulegen (welcher der nur an Liegenschaften reichen Stiftung fehlt), aus dessen Erträgen kulturelle Aktivitäten finanziert werden können. Ergänzend dazu wird jedoch auch private Initiative gefragt sein, durch die andernorts schon viel Gutes bewirkt wurde.

Ernst ist das Leben, heiter ist die Kunst, heißt es im Prolog zu »Wallensteins Lager«. Die heitere Note brachte zu guter Letzt Thomas Gottschalk, an den ich das Wort übergeben durfte, in die Veranstaltung. Seine familiären Wurzeln liegen ja in Schlesien und Oberschlesien, wozu er sich auch in seinen Fernsehsendungen freimütig bekennt. Seine Mutter stammt aus Heydebreck, dem heutigen Kedzierzyn, und ist in Groschowitz bei Oppeln aufgewachsen, der früh verstorbene Vater wurde in Namslau (jetzt Namyslów) geboren; Onkel Hans kam aus Ratibor und machte ihn wohl als erster mit Eichendorff bekannt. Eichendorff-Gedichte waren es auch, deren Vortrag ihm die erste öffentliche Anerkennung eintrug – sowie Gedichte des »Menzelwillem« in schlesischer Mundart, von denen er noch heute eine Menge aufzusagen weiß. Wie sehr er im Schlesischen zuhause ist, zeigte sich an einigen hingeworfenen Ausdrücken (gokeln, kascheln, Lusche, Potschen, Ritsche...), die so manchem Berichterstatter auch schlesischer Blätter, wie man an der häufig fehlerhaften Schreibweise der Begriffe ablesen kann, nicht immer geläufig sind. Im übrigen plauderte er auf unnachahmliche Weise über die Atmosphäre, in der er aufwuchs, über die Einladung hierher, über seine Kollegen, ... über den Papst. Zur hellen Freude des Auditoriums stellte er dann fest, daß das, was Hermann Hesse im Vorwort einer alten Sammlung Eichendorff’scher Novellen und Gedichte aus seinem Bücherschrank über den Dichter sagt: »... und zeigte schon als Knabe ... ein leichtes, angenehmes Formtalent, das zur Spielerei neigte und nicht ohne Gefahren für ihn gewesen wäre, hätte ihn nicht sein nobler, ritterlich reiner Charakter vor Eitelkeit ... bewahrt«, nach den Worten seiner Mutter auch auf ihn zuträfe. Wie um dies zu bestätigen, zog er ohne viel Aufhebens einen auf 50.000 DM ausgestellten Scheck aus der Tasche und überreichte ihn Herrn Wochnik »für den Eichendorff-Verein«. Als »verhinderter Lehrer«, gab er mir zu verstehen, sähe er es gern, wenn das Geld für den Umbau des alten Schulhauses so verwendet würde, daß damit dem kulturellen Anspruch der Eichendorff-Stiftung Genüge getan werden könnte.

Wie es zum Besuch von Herrn Gottschalk in Oberschlesien und zu seiner Spende für den Eichendorff-Verein kam, hat eine längere Vorgeschichte, in die nur Erzbischof Nossol »eingeweiht« war. Daß Herr Gottschalk sich zur fraglichen Zeit gerade in Deutschland aufhielt (seine Familie lebt bekanntlich in den USA) und für eineinhalb Tage von seinen zahlreichen Verpflichtungen freimachen konnte, ist einigen glücklichen Umständen zu verdanken. Erzbischof Nossol wiederum, der eigentlich zu einer länger geplanten Reise in den USA sein wollte, wurde durch unglückliche Umstände davon abgehalten und konnte sich so Zeit für die Feier in Lubowitz und für einen denkwürdigen »Empfang« des illustren Gastes am Abend davor nehmen. Auf dem Weg vom Flugplatz Kattowitz nach Oppeln hielten wir zur Einstimmung auf diesen »Gunsterweis« noch rasch Einkehr am St. Annaberg (wo es zu einer fröhlichen Begegnung mit einer Gruppe oberbayerischer Pfarrer kam) und im Schloß Groß Stein (Kamien Slaski) mit dem Sanktuarium des hl. Hyazinth. Das auf Betreiben Nossols aus Mitteln der »Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit« prachtvoll wiedererstandene Schloß dient der Theologischen Fakultät der Universität Oppeln als Studienzentrum und der Diözese Oppeln als ökumenische Begegnungsstätte und Exerzitienhaus.

Bleibt noch festzuhalten, daß der folgende »Festvortrag« von Dr. Christoph Bauer, des demnächst wieder in den bayerischen Schuldienst zurückkehrenden Dozenten am Deutschlehrerkolleg Ratibor, über »Kunst und Religion bei Eichendorff« am Beispiel des Gedichts »Der Maler« aus dem Roman »Dichter und ihre Gesellen« wegen der fortgeschrittenen Zeit und des anspruchsvollen Themas leider zu wenig Beachtung fand.

Die Feier klang aus mit dem gemeinsam, stehend gesungenen Lied »Oberschlesien ist mein liebes Heimatland, / wo vom Annaberg man schaut ins weite Land; ... wo die Häuser grau und hell die Herzen sind: / dahin geht mein Sehnen, bis ich Ruhe find’.«. Zur Beruhigung der knurrenden Mägen hatten die Frauen des Orts in der Großküche des Begegnungshauses ein kräftiges Essen mit reichlich schlesischen Klößen vorbereitet, bei dem – und den dazu und danach geführten Gesprächen mit Landsleuten aus nah und fern – man sich wie zuhause fühlen konnte.




Erschienen in:
»Schlesischer Kulturspiegel« 3/2000 der Stiftung Kulturwerk Schlesien, Würzburg




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