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Schlesische Dichter in Bronzereliefs

Zum ersten Todestag des Bildhauers, Grafikers und Malers Walter Kalot im Dezember 1997 wurde im Schlesischen Kabinett des Grafschaftsmuseums Wertheim am Main eine dem opus magnum des Künstlers, seinen 47 Bronzereliefs schlesischer Dichter und Philosophen gewidmete Ausstellung eröffnet. Das beeindruckende Werk war dort bis Ende Februar d.J. zu sehen. Zur Zeit können die Bildnisse im Görlitzer Kaisertrutz, im Rahmen einer gemeinsamen Ausstellung der Stiftung Kulturwerk Schlesien mit den Städtischen Sammlungen für Geschichte und Kultur Görlitz zum Thema »Literaturlandschaft Schlesien«, bewundert werden. Weitere Ausstellungen im demnächst eröffneten neuen Oberschlesischen Landesmuseum Ratingen, im Gerhart-Hauptmann-Haus in Düsseldorf, im Haus Schlesien bei Königswinter und in anderen Einrichtungen ostdeutscher Kulturpflege sind vorgesehen. Seine endgültige Bleibe soll das Ensemble in der im Bau befindlichen Gedenk- und Begegnungsstätte im oberschlesischen Geburtsort Lubowitz (Lubowice) des Dichters Joseph von Eichendorff bei Ratibor (Racibórz) finden.

Der sehnliche Wunsch des Künstlers, die in zwei etwa ein Jahrzehnt auseinanderliegenden Schaffensperioden entstandenen Reliefs in einer Gesamtschau darbieten zu können, ergänzt durch einprägsame Texte zu Leben und Werk der Dargestellten, hatte sich leider nicht erfüllt. Stattdessen konnte nun Frau Kalot erleben, wie die Vorstellung ihres Mannes doch noch verwirklich wurde. Zu verdanken ist dies vor allem der Stiftung Kulturwerk Schlesien, die schon früh in ihren Schriften zur schlesischen Landeskunde auf das plastische und grafische Werk Walter Kalots aufmerksam gemacht hatte und durch Vorgabe eines Ausstellungstermins Bewegung in die festgefahrene Angelegenheit brachte. Prof. Dr. Eberhard G. Schulz, der Vorsitzende des Vorstands der Stiftung, ließ es sich nicht nehmen, die nach Wertheim eingeladene alte Dame selbst durch die Ausstellung zu geleiten. Dabei entstand die nebenstehende Aufnahme. Für Frau Kalot war es ein freudiges Wiedersehen mit den in passender Umgebung – unter Ansichten bekannter schlesischer Maler von Breslau und vom Riesengebirge – präsentierten kleinen Kunstwerken.

Wie es dazu kam, die herausragenden Gestalten der schlesischen Literaturgeschichte in einer bronzenen Portrait-Galerie zu vereinen, hat Dr. Franz Heiduk, der damalige Geschäftsleiter der Eichendorff-Gesellschaft, in Heft 1/1985 der Zeitschrift Schlesien geschildert. Die Idee läßt sich auf Gespräche der aus Zeiten gemeinsamer russischer Gefangenschaft bekannten Schlesier über ihren größten Dichter zurückführen und den dabei Anfang der 80er Jahre gefassten Entschluß, für die Eichendorff-Gesellschaft eine neue Medaille mit dem Portrait ihres Namensgebers zu schaffen. Damit war der Ton angeschlagen, der den Künstler dann zu den anderen klangvollen Namen der schlesischen Literaturgeschichte forttrug – eingedenk des bedeutenden Beitrags schlesischer Dichter und Denker zum geistig-kulturellen Erbe unserer Nation. In einem Brief sagt W. Kalot selbst einmal: »Die Reliefs sind aus Heimatliebe entstanden.« Die Bildnisse folgten so rasch aufeinander, daß es nicht immer leicht war, rechtzeitig die nötigen weiteren Bildvorlagen herbeizuschaffen. Mußte doch, um die Reihe bei Jakob Böhme und Martin Opitz und der reichen schlesischen Barockdichtung beginnen lassen zu können, 400 Jahre, bis in die Zeit vor dem 30-jährigen Krieg zurückgegangen werden! Manche der Vorlagen waren völlig unzureichend, die von Friedrich von Logau beispielsweise nur briefmarkengroß und schemenhaft undeutlich. So wuchs, unter Zuspruch aus dem Kultusministerium Baden-Württemberg und beflügelt von der Aussicht auf einen würdigen Ausstellungs- und Aufbewahrungsort, innerhalb von etwa drei Jahren eine stattliche Reihe von 28 Reliefportraits heran. Den Bronzeguß ließ der Künstler kurzerhand auf seine Kosten herstellen. So konnte das Werk erstmals im Herbst 1984 im Kornhaus von Wangen im Allgäu anläßlich der dort stattfindenden Wangener Gespräche vorgestellt werden. Die Hoffnung, die Bildnisse würden in dieser Stadt, wo es schon ein Eichendorff- und ein Gustav-Freytag-Museum gab und gibt, bleiben können, trog jedoch. Ausstellungen an verschiedenen anderen Orten folgten, etwa in der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel und (eine Auswahl) im Deutschlandhaus Berlin; letzteres erwarb seinerzeit die ersten Bildnisse.

Das war der Stand, als ich 1990 auf den Reliefzyklus und auf Walter Kalot aufmerksam wurde. Bereits im Jahr darauf konnten die Reliefs vom Haus des Deutschen Ostens in München aus Mitteln des Freistaats Bayern für ostdeutsche Kulturpflege angekauft und der Stiftung Haus Oberschlesien anvertraut werden in der Absicht, sie einmal als »Morgengabe« an die geplante Eichendorff-Begegnungsstätte nach Lubowitz gehen zu lassen. Zunächst sollten sie aber in Ausstellungen hierzulande gezeigt und zu diesem Zweck mit Begleittexten versehen werden, die ein möglichst breites, literarisch interessiertes Publikum ansprechen und zum Lesen des einen oder anderen dichterischen Werkes anregen sollten.

Noch fehlten allerdings einige wichtige Namen der neueren schlesischen Literaturgeschichte wie der Brüder Carl und Gerhart Hauptmann, ferner Arnold Zweig, Kurt Heynicke, August Scholtis, Horst Bienek, Heinz Piontek, außerdem die Theologen bzw. Philosophen Dietrich Bonhoeffer, Erich Przywara, Ernst Cassirer (Edith Stein war als 29. bereits Ende der 80er Jahre hinzugekommen) sowie etliche Dichter der Barock- und Aufklärungszeit – zusammen insgesamt 18. Die nötigen weiteren Vorlagen waren unter Mithilfe des Deutschen Literaturarchivs in Marbach am Neckar und anderer Stellen rasch besorgt, und auch die Anschlußfinanzierung konnte geklärt werden. Die bestehenden Lücken wurden von dem mittlerweile über 80-jährigen Künstler mit bewundernswertem Elan und ungebrochener Gestaltungskraft geschlossen. Jeder, der die prächtigen Bildnisse der Genannten oder bspw. von Benjamin Neukirch mit seiner Allongeperücke sieht, wird dies bestätigen können. Heinz Piontek sah sich in seinem Bronzerelief amüsiert als »letzten Mohikaner der ausgestorbenen (deutsch-) schlesischen Dichtung« – wohl auch aufgrund des durch den Farbton des Bildnisses verstärkten indianischen Aussehens. Besondere Freude bereitete es W. Kalot, dem Dichter einen Abguß des Reliefs persönlich zu überbringen, den dieser sich zum 70. Geburtstag gewünscht hatte, und dabei den anhand von Fotos aus der Sammlung der Bayerischen Staatsbibliothek Portraitierten kennenzulernen.

Die Begleittexte zur Ausstellung – eigentlich eine Aufgabe für ein Autorenteam – hat Dr. Detlef Haberland von der Stiftung Haus Oberschlesien verfaßt. Im Vorwort des Begleithefts bemerkt er dazu: »Die kleinen Texte dieses Katalogs wollen und können natürlich keine erschöpfende Auskunft über Lebensläufe und Werke geben; sie können stimulieren, nachdenklich machen und zur Vertiefung einladen.« Darin liegt für ihn auch die Bedeutung der Portraitreihe: »Indem wir als Betrachter Namen und Gesichtszüge, Werktitel und Lebensstationen in uns aufnehmen, werden wir an vergangene Leseerlebnisse erinnert und zu erneutem Studium angeregt.« Schön wäre es gewesen, möchte ich hinzufügen, auch an der Literatur weniger nahestehende Ausstellungsbesucher zu denken und die Beschreibungen durch kleine Kostproben aus dem Werk der Dargestellten, einen schönen Vers oder eine charakteristische Sentenz, aufzulockern. Aus Kostengründen mußte ferner darauf verzichtet werden, dem jeweiligen Text eine Abbildung des zugehörigen Bildnisses an die Seite zu stellen. Daß der Katalog wenigstens einen Bildteil von 16 Seiten erhielt, hat Frau Elisabeth Kalot durch einen Druckkostenzuschuß ermöglicht. Die Abbildungen vermitteln allerdings nur einen unzureichenden Eindruck von der Qualität und Plastizität der Arbeiten. Sie erschließen sich erst vollends beim Besuch der Ausstellung.






Erschienen in:
»Schlesischer Kulturspiegel« 2/1998 der Stiftung Kulturwerk Schlesien, Würzburg




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