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Selbstfindung, Selbstbestätigung, Mitteilung
Zu Leben und Werk des Bildhauers und Malers
Walter Kalot

In einem Alter, in dem andere sich zur Ruhe setzen, begann Walter Kalot in Oberstdorf im Allgäu, wohin er sich aus Berlin kommend zurückzog, ein von den Zwängen des Berufslebens befreites künstlerisches Schaffen, das ihn weit über das Allgäu hinaus bekannt machte und immer wieder neue Freunde gewinnen läßt. Mit seiner Einstellung zur Arbeit, der Freude am Gestalten, ist er ein Vorbild für jung und alt gegen Bequemlichkeit und Resignation. Die Arbeit ist für ihn weniger Notwendigkeit als Lebenselixier. »Trotz der Mühen, die sie mit sich bringt, befreit sie von seelischem Ballast und gibt uns das Maß für die wichtigen Dinge zurück«, so der Künstler. Dabei hat er nicht nur Selbstfindung und Selbstbestätigung im Sinn; er möchte sich ebenso anderen mitteilen, ihnen Erlebtes, Gedachtes, Erträumtes nahebringen, Einsichten vermitteln, Freude bereiten. Seine Aussagen folgen keinem starren Schema, sondern bedienen sich immer neuer Ausdrucksformen, bleiben aber auch in Verfremdung und Abstraktion stets verständlich.

Walter Kalot wurde am 5. Oktober 1909, vor 85 Jahren also, in Glatz geboren. Seine künstlerische Ausbildung erfuhr er an der Kunstakademie in Breslau und an der Kunsthochschule Berlin-Charlottenburg; Otto Mueller und Emil Orlik zählten zu seinen Lehrern. Die Bemühungen, sich in der Reichshauptstadt eine berufliche Existenz als Graphiker aufzubauen, wurden durch die Einberufung zur Wehrmacht jäh beendet. Zehn Jahre später, 1950, kehrte er aus russischer Gefangenschaft zurück - ungebrochen und mit dem Willen, sich durchzusetzen, wie er es unter den extremen Bedingungen des Arbeitslagers im Ural getan hatte. Ein von ihm aus dem Fels herausgehauener Bärenbrunnen in der Lagermitte war beliebtester Treffpunkt der Kameraden und gedankliche Brücke zum entfernten Berlin.

Wieder in Berlin, fand Walter Kalot schnell zur AEG, wo er es bis zum Chefgraphiker mit einem Stab von Mitarbeitern brachte und das Erscheinungsbild der Firma in Messen, Ausstellungen und Prospekten über Jahre hinweg prägte. Daneben schuf er sich ein zweites Zuhause in Oberstdorf im Allgäu. Hier, in seinem Atelier mit angegliederter Galerie, bereitete er seinen Rückzug aus dem Berufsleben und die Tätigkeit als freischaffender Künstler vor. Den Einstand gab er mit den Bronze-Plastiken des »Jungen Bären« im Kurpark und dem Fischreiher-Brunnen vor dem Kurhaus von Oberstdorf. 1968 wurde er für die Bronze-Plastik »Hahn und Henne« mit dem Kunstpreis des Bezirks Schwaben ausgezeichnet.

Walter Kalot ist aus dem Kulturleben der Stadt und Region nicht wegzudenken. 1972 gründete er zusammen mit zwei Gleichgesinnten die »Kulturgemeinde Oberstdorf«, deren Arbeit er im Vorstand mitgestaltet. In den über 20 Jahren seither organisiert und betreut er die Kunstausstellungen dieser Vereinigung, insbesondere die zur Tradition gewordenen Ausstellungen im Rahmen der alljährlich im Herbst stattfindenden, weit über das Allgäu hinauswirkenden Oberstdorfer Kulturtage und bereichert sie durch vielgestaltige eigene Beiträge - zuletzt durch phantasievolle Gebilde aus Draht und Papier. Die Plakate zu den Kulturtagen und die Veranstaltungsprogramme der Kulturgemeinde sind seine selbstverständlichen »Zutaten«.

Der Bekanntschaft Walter Kalots mit Gertrud von le Fort verdankt Oberstdorf die schöne Bronze-Büste der Dichterin im Foyer des Kurhauses und ein Relief-Bildnis für das Gymnasium der Stadt, das ihren Namen trägt. Auch von dem schwäbischen Dichter Arthur Maximilian Miller und dem früheren Bundeslandwirtschaftsminister Ignaz Kiechle gibt es eindrucksvolle Bildnisse. Auf der Stirnseite des alten Rathauses von Oberstdorf hat er in einem Fresko zwei wichtige Ereignisse aus der Geschichte der Marktgemeinde festgehalten: die Markterhebung durch Maximilian I. im Jahre 1495 und den Beginn des Fremdenverkehrs durch Eröffnung der Bahnlinie 1888.

Mittlerweile finden sich in mehreren Städten Oberschwabens Zeugnisse der Gestaltungskraft und Schaffensfreude Walter Kalots: beispielsweise der Bewegungsbrunnen vor dem Verwaltungsgebäude des Allgäuer Überlandwerks in Kempten, das Vertriebenendenkmal in einer Parkanlage von Sonthofen und ebenfalls in Sonthofen die erst im letzten Jahr aufgestellte, den Gedanken der Stromerzeugung aus Wasserkraft variierende Edelstahlplastik für die Allgäuer Kraftwerke. Wo andere Menschen sich von den Anstrengungen des Arbeitslebens erholen, auf Madeira, schuf er als 72-jähriger in mehrmonatiger harter Arbeit für das Meeresschwimmbad der Inselhauptstadt das Großrelief »Die Woge«; der Präsident von Funchal ehrte ihn dafür mit der Bürgermedaille der Stadt.

Die Meisterschaft des Künstlers drückt sich aber auch in kleinen Formen, in Medaillen und Plaketten, aus - darunter die Plakette der Marktgemeinde Oberstdorf. Am bekanntesten dürfte die für die Eichendorff-Gesellschaft entworfene Medaille sein, deren Abgüsse zu einer begehrten Auszeichnung für Wissenschaftler, Schriftsteller und andere Persönlichkeiten geworden sind, die sich um das Erbe Eichendorffs und der deutschen Romantik verdient gemacht haben.

Im Lauf der letzten Jahre ist schließlich aus der Liebe zu seiner schlesischen Heimat und dem reichen Schatz ihrer Literatur eine eindrucksvolle Sammlung von 47 Bronze-Reliefs schlesischer Dichter und Schriftsteller entstanden, von Martin Opitz bis zu Heinz Piontek, freie Nachschöpfungen anhand meist nur unzureichender Bildvorlagen. Die Sammlung wurde vom Haus des Deutschen Ostens in München erworben und soll demnächst mit Begleittexten und nach Möglichkeit auch in einem Bildband der Öffentlichkeit vorgestellt werden; ihre endgültige Bleibe wird sie in Lubowitz, dem oberschlesischen Geburtsort Joseph von Eichendorffs, in dem dort entstehenden Kultur- und Begegnungszentrum finden. Eine noch in Arbeit befindliche überlebensgroße Büste Eichendorffs für diese Einrichtung soll den krönenden Abschluß des den schlesischen Dichtern gewidmeten Werkteils bilden.

In der Kunstausstellung der diesjährigen Oberstdorfer Kulturtage war vom 1. bis 12. Oktober 1994 eine Retrospektive des Kalotschen Werkes zusammen mit einer Reihe neuer Arbeiten zu sehen, ein Geburtstagsgeschenk so recht nach dem Geschmack des Künstlers - von ihm selbst mitangerichtet.






Erschienen in:
»Kulturpolitische Korrespondenz« Nr. 915 vom 5. Oktober 1994 der Stiftung Ostdeutscher Kulturrat
»Schlesischer Kulturspiegel« 4/1994 der Stiftung Kulturwerk Schlesien, Würzburg




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