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Malen und Modellieren als »Lebenselixier«
Zum 100. Geburtstag des Bildhauers und Malers Walter Kalot

Am 5. Oktober 2009 jährt sich der Geburtstag des zuletzt in Oberstdorf im Allgäu heimischen Malers, Bildhauers und Graphikers Walter Kalot zum einhundertsten Mal. Aus diesem Anlass wird die »Kulturgemeinschaft Oberallgäu« in der Oberstdorfer »Villa Jauss« – im Rahmen der Jahresausstellung der bildenden Künstler des südlichen Allgäus – sein Werk an einem »Kalot-Abend« am 14. Oktober 2009 in den Mittelpunkt zu rücken. Außerdem ist eine kleine Ausstellung seiner Arbeiten im Foyer des Kur- und Kongresszen­trums der Marktgemeinde, dem »Oberstdorf-Haus«, geplant. Wie kommt ein aus Berlin zugezogener und nun schon dreizehn Jahre toter Künstler zu einem solchen Ehrenerweis?

In einem Alter, in dem andere sich zur Ruhe setzen, hat Walter Kalot in Oberstdorf, seinem bevorzugten Urlaubsort, ein von den Zwängen des Berufslebens befreites künstlerisches Schaffen begonnen, das ihn weit über das Allgäu hinaus bekannt machte und immer wieder neue Freunde gewinnen lässt. Mit seiner Einstellung zur Arbeit, der Freude am Gestalten, wurde er ein Vorbild für jung und alt gegen Bequemlichkeit und Resignation. Die Arbeit war für ihn weniger Notwendigkeit als Lebenselixier. »Trotz der Mühen, die sie mit sich bringt, befreit sie von seelischem Ballast und gibt uns das Maß für die wichtigen Dinge zurück«, so der Künstler. Dabei hatte er nicht nur Selbstfindung und Selbstbestätigung im Sinn; er wollte sich ebenso anderen mitteilen, ihnen Erlebtes, Gedachtes, Erträumtes nahebringen, Einsichten vermitteln, Freude bereiten. Seine Aussagen folgen keinem starren Schema, sondern bedienen sich immer neuer Ausdrucksformen, bleiben aber auch in Verfremdung und Abstraktion stets verständlich.

Walter Kalot wurde in der schlesischen Festungsstadt Glatz an der östlichen Neiße geboren. Seine künstlerische Ausbildung erfuhr er an der Kunstakademie in Breslau und an der Kunsthochschule Berlin-Charlottenburg; Otto Mueller und Emil Orlik zählten zu seinen Lehrern. Die Bemühungen, sich in der Reichshauptstadt eine berufliche Existenz als Graphiker aufzubauen, wurden durch die Einberufung zur Wehrmacht jäh beendet. Zehn Jahre später, 1950, kehrte er aus russischer Gefangenschaft zurück – ungebrochen und mit dem Willen, sich durchzusetzen, wie er es unter den extremen Bedingungen des Arbeitslagers im Ural getan hatte. Ein von ihm aus dem Fels herausgehauener Bärenbrunnen in der Lagermitte war beliebtester Treffpunkt der Kameraden und gedankliche Brücke zum entfernten Berlin.

Wieder in Berlin, fand Walter Kalot schnell zur AEG, wo er es bis zum Chefgraphiker mit einem Stab von Mitarbeitern brachte und das Erscheinungsbild der Firma in Messen, Ausstellungen und Prospekten über Jahre hinweg prägte. Daneben schuf er sich ein zweites Zuhause in Oberstdorf im Allgäu. Hier, in seinem Atelier mit angegliederter Galerie, bereitete er seinen Rückzug aus dem Berufsleben und die Tätigkeit als freischaffender Künstler vor. Den Einstand gab er mit den Bronze-Plastiken des »Jungen Bären« im Kurpark und dem Fischreiher-Brunnen vor dem Kurhaus von Oberstdorf. 1968 wurde er für die Bronze-Plastik »Hahn und Henne« mit dem Kunstpreis des Bezirks Schwaben ausgezeichnet.

Walter Kalot war lange Jahre aus dem Kulturleben Oberstdorfs und der Region nicht wegzudenken. 1972 gründete er zusammen mit zwei Gleichgesinnten die »Kulturgemeinde Oberstdorf«, deren Arbeit er im Vorstand mitgestaltete. In der Folge organisierte und betreute er die Kunstausstellungen dieser Vereinigung, insbesondere die zur Tradition gewordenen Ausstellungen während der alljährlich im Herbst stattfindenden, weit über das Allgäu hinauswirkenden Oberstdorfer Kulturtage und bereicherte sie durch vielgestaltige eigene Beiträge – zuletzt durch phantasievolle Gebilde aus Draht und Papier. Die Plakate zu den Kulturtagen und die Veranstaltungsprogramme der Kulturgemeinde waren seine selbstverständlichen »Zutaten«.

Der Bekanntschaft Walter Kalots mit Gertrud von le Fort verdankt Oberstdorf die schöne Bronze-Büste der Dichterin im Foyer des Oberstdorf-Hauses und ein Relief-Bildnis für das Gymnasium am Ort, das ihren Namen trägt. Auch von dem schwäbischen Dichter Arthur Maximilian Miller und dem früheren Bundeslandwirtschaftsminister Ignaz Kiechle gibt es eindrucksvolle Bildnisse. Auf der Stirnseite des alten Rathauses von Oberstdorf hat er in einem Fresko zwei wichtige Ereignisse aus der Geschichte der Marktgemeinde festgehalten: die Markterhebung im Jahre 1495 durch Maximilian I. (den nachmaligen Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, genannt »der letzte Ritter«) und den Beginn des Fremdenverkehrs durch Eröffnung der Bahnlinie 1888.

Zeugnisse der Gestaltungskraft und Schaffensfreude Walter Kalots finden sich auch an weiteren Orten Oberschwabens und darüber hinaus: beispielsweise der Bewegungsbrunnen vor dem Verwaltungsgebäude des Allgäuer Überlandwerks in Kempten, das Vertriebenendenkmal in einer Parkanlage von Sonthofen und die ebenfalls in Sonthofen aufgestellte, den Gedanken der Stromerzeugung aus Wasserkraft variierende Edelstahlplastik für die Allgäuer Kraftwerke. Ferner ist der an Eichendorffs Studienzeit in Heidelberg erinnernde Gedenkstein am Philosophenweg, in schönster Lage über der Stadt, sein Werk. Wo andere Menschen sich von den Anstrengungen des Arbeitslebens erholen, auf Madeira, schuf er als 72-jähriger in mehrmonatiger harter Arbeit für das Meeresschwimmbad der Inselhauptstadt das Großrelief »Die Woge«; der Präsident von Funchal ehrte ihn dafür mit der Bürgermedaille der Stadt.

Die Meisterschaft des Künstlers drückt sich aber auch in kleinen Formen, in Medaillen und Plaketten, aus – darunter die »Gertrud-von-Le-Fort-Medaille« des Marktes Oberstdorf. Am bekanntesten dürfte die für die Eichendorff-Gesellschaft entworfene Medaille sein, deren Abgüsse zu einer begehrten Auszeichnung für Wissenschaftler, Schriftsteller und andere Persönlichkeiten geworden sind, die sich um das Erbe Eichendorffs und der deutschen Romantik verdient gemacht haben.

Aus der Liebe zu seiner schlesischen Heimat und dem reichen Schatz ihrer Literatur ist im Lauf der Jahre eine eindrucksvolle Sammlung von 47 Bronze-Reliefs schlesischer Dichter und Philosophen entstanden, von Martin Opitz bis zu Heinz Piontek, von Christian Wolff bis Edith Stein, freie Nachschöpfungen anhand meist nur unzureichender Bildvorlagen. Die Sammlung wurde vom Haus des Deutschen Ostens in München erworben und in mehreren Ausstellungen mit Begleittexten von Dr. Detlef Haberland (die auch in Form einer von den Stiftungen »Haus Oberschlesien« und »Kulturwerk Schlesien« herausgegebenen bebilderten Broschüre vorliegen) der Öffentlichkeit vorgestellt; im Anschluss daran hat diese schlesische »Dichter-Galerie« in Lubowitz, dem oberschlesischen Geburtsort Joseph von Eichendorffs, in dem dort entstandenen Kultur- und Begegnungszentrum der deutschen Minderheit eine Bleibe gefunden.

Eine große Büste Joseph von Eichendorffs, die den krönenden Abschluss dieses den schlesischen Dichtern gewidmeten Werkteils bildet, steht nunmehr – in Bronze gegossen auf hohem Sandsteinsockel – vor dem »Deutschen Eichendorff-Museum« in Wangen im Allgäu, jener Stadt, in der sich Schriftsteller und Künstler mit innerem Bezug zum ehemaligen deutschen Osten zum »Wangener Kreis« zusammengeschlossen haben und regelmäßig treffen; bei diesen »Wangener Gesprächen« wird auch der renommierte Eichendorff-Literaturpreis verliehen.

Für seine Lebensleistung und speziell die »Bereicherung der Allgäuer Kunstszene« wurde der 85-jährige 1995 mit dem Verdienstkreuz am Bande der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet.

Dem 86-jährigen war es schließlich noch vergönnt, eine überlebensgroße Christusfigur für die evangelische Christuskirche in Oberstdorf zu vollenden. Im Gestus mittelalterlicher Kirchenstifter hält der an der Außenwand der Kirche angebrachte Christus seine Christuskirche im Arm; ungewöhnlich daran Material und Ausführung: blanker Edelstahl und eine an frühromanisch-strenge Bildnisse erinnernde Darstellung. Und schmunzelnd stellt man fest: Die Plastik trägt (s)einen Schnurrbart als »Signatur«.

Am Ende jenes Jahres hat Walter Kalot die Augen für immer geschlossen und ist auf dem Oberstdorfer Waldfriedhof beerdigt worden. Seinen Grabstein schmückt ein von sich selbst geschaffenes markantes Bronze-Relief.

Mittlerweile zählt die Marktgemeinde Oberstdorf Walter Kalot, den einst »Zugereisten«, zu seinen »berühmten Köpfen«, und im Heimatmuseum des Ortes ist er durch einige seiner Arbeiten präsent. Posthum hat sich auch einer seiner letzten Wünsche erfüllt, und die große Bronzeplastik »Iller-Ursprung« – drei die Quellflüsse der Iller symbolisierende Schwimmerinnen – ist dort aufgestellt worden, wo die Iller aus dem Zusammenfluss der Breitach, Stillach und Trettach unweit von Oberstdorf hervorgeht.

Der unübersehbar große und vielfältige Schatz von Kalots malerischem und graphischem Werk – von seiner Witwe und von seinem Enkel gehütet – wartet indessen noch darauf, gehoben und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht zu werden. Ein Teil davon dürfte bei den eingangs genannten Gedenkausstellungen in Oberstdorf zu sehen sein.

Die Würdigung von Walter Kalot wäre unvollständig, würde an dieser Stelle nicht auch der Teilhaberin seiner Erfolge, der verständnisvollen, anregenden, liebenswerten Frau Elisabeth Kalot gedacht. Sie konnte erst vor kurzem in bewundernswerter geistiger Frische ihren 100. Geburtstag begehen und will am 5. Oktober von Berlin, wohin sie nach dem Tod ihres Mannes zurückgekehrt ist, nach Oberstdorf kommen, um sein Grab aufzusuchen und ihm, dessen Atelier und Galerie hier noch immer nahezu unverändert bestehen, nahe zu sein. Sie sei zur Vollendung des 100. Lebensjahres hiermit auf das herzlichste beglückwünscht und in den Dank an Walter Kalot eingeschlossen.





Erschienen in:
»Schlesien heute« 10/2009, Senfkorn-Verlag A. Theisen, Görlitz/Schlesien

»Oberstdorf'r – Informationen für Bürger der Gemeinde Oberstdorf« Nr. 6/2009 (in gekürzter Form)

»Unser Oberstdorf – Blätter zur Oberstdorfer Heimatkunde« Heft 55/Dezember 2009, S. 2147-2159
(unter der Überschrift »Zum 100. Geburtstag des Bildhauers und Malers Walter Kalot«).



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