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Im Rahmen der 300-Jahr-Feier der Universität Breslau:
Büste Ferdinand Roemers aufgestellt

Am 16. November 2002 wurde in einem Festakt im Geologischen Museum der Universität Breslau (Uniwersytet Wroclawski) eine Büste des namhaften deutschen Paläontologen und Direktors des vor­maligen Mineralogischen Museums dieser Hochschule, Prof. Dr. Ferdinand Roemer, aufgestellt. Die Büste ist das Geschenk der Ruhr-Universität Bochum an die mit ihr durch eine Hochschulpartnerschaft verbundene Breslauer Universität anläßlich ihres am 15. November 2002 festlich begangenen 300. Jahrestags der Gründung als Jesuiten-Universität durch den römisch-deutschen Kaiser Leopold I. aus dem Hause Habsburg. Die Idee, den einst berühmten Wissenschaftler an seine ehemalige Wirkungsstätte zurückzubringen, und deren Verwirklichung sind dem 1936 in Breslau geborenen, dort und im bayerischen Rottal aufgewachsenen Hans Völkel zu verdanken, der bis vor einem Jahr die Zentralstelle für Präparationstechnik an der Ruhr-Universität Bochum leitete. Er hat sich eingehend mit Ferdinand Roemer sowie der Geschichte der Geowissenschaften an der Universität Breslau befaßt und darüber ein kürzlich erschienenes Buch »Mineralogen und Geologen in Breslau« verfaßt. Die Büste wurde dem Rektor der Breslauer Universität, Prof. Dr. Zdzislaw Latajka, durch seinen Kollegen von der Ruhr-Universität, Prof. Dr. Dietmar Petzina, übergeben. Mit einer hierzu erhaltenen Einladung konnte ich der feierlichen Zeremonie beiwohnen.

Wer war dieser Ferdinand Roemer, wo kam er her und was sind seine Leistungen und Verdienste, daß man sich seiner in dieser Weise erinnert?

Ferdinand Roemer wurde am 5. Januar 1818 in Hildesheim als Sohn eines angesehenen Tribunalrichters geboren. Wie seine beiden älteren Brüder Friedrich Adolf und Hermann studierte er zunächst Jurisprudenz und Naturwissenschaften in Göttingen und Heidelberg, wechselte jedoch dann, seiner Neigung folgend, nach Berlin zum Studium der Geologie. Die Liebe zu diesem Fach teilte er mit seinen beiden Brüdern, von denen Friedrich Adolf Roemer es zu einem Lehramt für Geognosie (im heutigen Sprachgebrauch Geologie) und Mineralogie an der Bergschule und späteren Bergakademie Clausthal brachte und Hermann Roemer – im Hauptberuf Jurist, Senator der Stadt Hildesheim und Reichstagsabgeordneter – durch geognostische Untersuchungen des Hildesheimer Raums und Publikationen darüber hervortrat. Alle drei Brüder riefen 1848 zusammen mit Alexander von Humboldt zur Gründung der Deutschen Geologischen Gesellschaft auf. Auf die beiden älteren Brüdern, vor allem aber auf Hermann Roemer, geht die Errichtung eines natur- und kulturgeschichtlichen Museums in Hildesheim zurück, das nach dem Tod des letzteren Roemer-Museum benannt wurde und noch heute als Teil des dortigen Roemer- und Pelizaeus-Museums besteht.

Am 12. März 1855 schreibt der 37-jährige Ferdinand Roemer an seinen Bruder Hermann von Bonn nach Hildesheim: »Soeben erhalte ich eine Ernennung zum ordentlichen Professor [der Mineralogie] an [der Philosophischen Fakultät] der Universität Breslau und Direktor des Mineralogischen Museums mit einem Gehalt von 800 Thalern. Damit habe ich einen großen pas getan, wie er in der akademischen Carriere selten vorkommt. Seit Jahren ist niemals ein Privatdocent unmittelbar zum ordentlichen Professor, sondern stets erst zu einer außerordentlichen Professur befördert worden ...« Aufgrund der in großer Zahl verfaßten und erhalten gebliebenen Briefe – insbesondere der an seinen Bruder Hermann gerichteten – wissen wir über Ferdinand Roemers Leben und wissenschaftliches Arbeiten sowie seine Forschungsreisen sehr gut Bescheid.

Ehe es zur Berufung nach Breslau kam, hatte Ferdinand Roemer sich durch geologische Untersuchungen in Westfalen und des Rheinischen Schiefergebirges im Auftrag des Oberbergamtes in Bonn einen Namen gemacht, vor allem aber durch einen Forschungsaufenthalt in den Vereinigten Staaten von Nordamerika. Mit dieser im Frühjahr 1845 vom »Königlich Preussischen Ministerium für geistliche, Unterrichts- und Medicinal-Angelegenheiten« bewilligten, durch zugesetzte eigene Mittel nach und nach auf 2 ½ Jahre verlängerten Reise er­schloß er absolutes Neuland und legte damit den Grundstein der Geologie und Paläontologie des jungen Staates Texas, den er kreuz und quer durchstreifte. Seine Beobachtungen und Erkenntnisse berichtete er in kleinern und größeren Abhandlungen, u.a. im »American Journal of Science und Arts«, aber auch für die fachunkundigen Leser bspw. der »Augsburger Allgemeinen Zeitung«, und – wieder zurück in Deutschland – in Buchform mit einer ersten geologischen Karte von Texas. Dieses Werk trug ihm den Ehrentitel »Vater der Geologie von Texas« ein. Mit einer Arbeit über die »Kreidebildung von Texas und ihre organischen Einschlüsse« habilitierte er sich schließlich 1848 an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn und war dort bis zu seiner Berufung nach Breslau als Privatdozent und Kustos der paläontologischen Sammlung tätig.

In Breslau entfaltete Ferdinand Roemer eine reiche Lehr- und Forschungstätigkeit. Er wußte den Lehrstoff offenbar sehr anschaulich darzubieten, wozu seine Methode beitrug (wie einer seiner ehemaligen Schüler schrieb), »jede in der Vorlesung gebrachte Aufgabe thunlichst sofort an einem geeigneten Naturobjekt zu erläutern, so dass mit jedem neuen Namen, den der Zuhörer in sich aufnahm, sich zugleich auch die dem Inhalte desselben entsprechende Vorstellung in seinem Geiste verbinden mußte, und dass jedes blosse Wortwissen von vornherein ausgeschlossen war«. Ausgedehnte Forschungsreisen führten ihn nacheinander nach Schweden, Holland, Italien, Norwegen, Frankreich, Rußland, Konstantinopel, England, Spanien, Irland und immer wieder ins benachbarte Böhmen, Mähren und Polen, über deren Ertrag er ausgiebig publizierte.

Einen Schwerpunkt in der wissenschaftlichen Arbeit Ferdinand Roemers bildet die geologisch-paläontologische Erforschung Schlesiens und hier besonders Oberschlesiens. Das »Königlich Preussische Ministerium für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten« hatte ihn am 3. Juli 1862 beauftragt, die wissenschaftliche Leitung zur Herstellung einer geognostischen Karte von Oberschlesien zu übernehmen. Diese Aufgabe beschäftigte ihn und eine Reihe von Helfern viele Jahre lang und wurde 1869 mit dem Druck der »Geognostischen Karte von Oberschlesien und den angrenzenden Gebieten« in 12 Blättern im Maßstab 1:100 000 sowie 1870 der dreibändigen Publikation »Geologie von Oberschlesien« abgeschlossen. Sie besteht aus einem Erläuterungsband zu der geologischen Karte von Oberschlesien nebst Anhang, einem Atlas von 50 Tafeln mit Abbildungen von Versteinerungen und einer Mappe mit Karten und Profilen. Im Vorwort zum Erläuterungsband drückt er die Hoffnung aus, daß »bei einer näheren Prüfung nirgends die sorgfältige und gewissenhafte Arbeit vermisst und bei einer Vergleichung mit dem bisher Vorhandenen ein wesentlicher Fortschritt in der geologischen Kenntniss Oberschlesiens erkannt werden« möge.

Um die Beschwerlichkeiten der Unternehmung zu ermessen, sei aus einem der Briefe Ferdinand Roemers an seinen Bruder Hermann zitiert, in dem er unter dem 4. September 1863 aus Kattowitz in Oberschlesien freimütig schreibt: »Ich bin gestern hier aus Galizien, den Karpathen und dem Krakauer Gebiete nach vierwöchentlichen Wanderungen eingetroffen. ... Das Reisen ist dort beschwerlich. Am Tage kutschirt man auf den kleinen Bauernwagen mit zwei raschen polnischen Pferden auf zum Theil halsbrechenden Wegen umher. Das ist ganz gut. Aber Nachts in den schlechten schmierigen Judenwirthschaften, in denen es viele Flöhe und Wanzen, aber nichts Ordentliches zu Essen giebt, zu kampieren, erfordert viel Resignation. Aber die geognostischen Verhältnisse dieser Gegend sind so interessant und ich habe so viel Neues gesehen, daß ich durch meine bisherige Reise doch sehr befriedigt bin.« Daneben hält er natürlich auch angenehme Eindrücke und Begebenheiten fest, beispielsweise unter dem 21. August 1864 in Neustadt/Oberschlesien: »Heute vor acht Tagen war ich bei einem der großen Magnaten von Oberschlesien, einem Herren von Tiele-Winckler zu Gaste. Derselbe war früher ein ganz vermögensloser Mecklenburgscher Lieutenant und wurde durch die Heirath mit der reichen Erbtochter eines aus dem Arbeiterstande hervorgegangenen Mannes Namens Winckler, der durch den Ankauf und die Ausbeutung von Galmei[d.h. Zinkerz]-Gruben zu Crösus Schätzen gelangt war, auf einmal ein vielfacher Millionär. Das Schloß, welches die übrigens ziemlich zurückgezogen lebenden Leute bewohnen, ist fürstlich eingerichtet und voll der schönsten Kunstschätze. Wenn man bedenkt, welches wüste Land jener Theil von Oberschlesien vor 30 Jahren noch war, so ist es wunderbar zu sehen, welche Änderung die Entwicklung des Bergbaus in diesem Lande hervorgebracht hat.«

Der Anhang zum vorgenannten Werk trägt den Titel »Über das Vorkommen und die Gewinnung der nutzbaren Fossilien Oberschlesiens« und wurde von dem Königl. Oberbergrath Dr. W. Runge bearbeitet. Darin schreibt er einleitend u.a.: »... erschien es mir nicht überflüssig, ... einen kurzen Ueberblick über die grossartige Entwickelung der oberschlesischen Mineral-Industrie hinzuzufügen, welcher zeigt, dass Industrie und Technik in Oberschlesien nicht müssig gewesen sind, die reichen von der Natur gespendeten Mineralschätze zu heben und zum allgemeinen Wohle zu verwerthen; welcher die Aufmerksamkeit des entfernten Gelehrten auf diesen wichtigen Industrie-Bezirk hinlenkt; ihm zeigt, was er dort findet, ... und welcher somit dazu beiträgt, der oberschlesischen Industrie, wieder diejenigen geistigen und wissenschaftlichen Kräfte zuzuführen, deren sie zu ihrem Gedeihen nie entbehren kann«. Und im Schlußabschnitt heißt es klarsichtig: »Eine Schwierigkeit aber, welche alle Zweige der oberschlesischen Mineralindustrie zu bekämpfen haben und mit Energie und Kraft bekämpfen, ist die verhältnissmässig niedrige Bildungsstufe der Arbeiter[s]. Willigkeit, Gehorsam, Genügsamkeit und Gewandtheit sind als Vorzüge des oberschlesischen Arbeiters anzuerkennen; aber es fehlt ihm vielfach an dem geistigen Streben, welches die intelligenten Arbeiter der westlichen Industriebezirke Deutschlands auszeichnet und welches den Arbeiter in einer ausgezeichneten Arbeitsleistung seine eigene Befriedigung und seinen Stolz finden lässt.«

In die Zeit von Roemers »Kampagne« in Oberschlesien fallen auch seine Amtszeit als Rektor der Universität im Studienjahr 1864/65 sowie Fertigstellung und Bezug des von ihm jahrelang betriebenen Neubaus zur Aufnahme des Mineralogischen Instituts und der durch ihn wesentlich erweiterten Sammlungen, die zum Teil öffentlich zugänglich gemacht wurden, also Museumsstatus erhielten, im Jahr 1866. Dieses nach 1945 anderweitig genutzte Gebäude steht als imposanter, wenngleich renovierungsbedürftiger Bau im Universitätsviertel an der Einmündung der Szewska (früher Schuhbrücke) in die Oderuferstraße Grodzka (früher Burgstraße) gegenüber dem ehemaligen Matthiasstift, in dem jetzt Bibliothek und Verlag des aus Lemberg zusammen mit der dortigen Universität hierher transferierten Ossolineums (Ossolinskischen Instituts) untergebracht sind. Die Identifizierung war anhand des in Roemers Museumsführer aus dem Jahr 1868 abgebildeten Gebäudegrundrisses möglich.

In diesem auf eigene Kosten gedruckten Museumsführer schreibt er im Vorwort: »In einer Provinz, in welcher wie in Schlesien der Bergbau eine so wichtige Stellung unter den Gewerben einnimmt, dass nur der Ackerbau ihm an Bedeutung voransteht, darf man wohl mit Recht ein noch lebhafteres Interesse für die Kenntniss der Mineralkörper und des geognostischen Baues der Erdrinde bei den Bewohnern voraussetzen, als diese an Umfang und Tiefe in neuester Zeit so bedeutend erweiterten Zweige des Naturwissens schon an sich nach ihrem Inhalte in Anspruch nehmen. ... Nun ist ... das erfreuliche Ergebniss erreicht, dass unter den Mineralogischen Museen Deutschlands zwar wohl einige, wie diejenigen in Berlin, in Wien und in München, welche als Landes-Museen über ausgedehnte Mittel für den Ankauf verfügen, dem unserigen an Umfang der Sammlungen weit voranstehen, keines aber dem unserigen an Zweckmässigkeit der Aufstellung und der gleichmässigen Durchführung eines einheitlichen Planes der Anordnung gleichkommt.«

Das geplante und sodann glücklich fertiggestellte »Mineralogische Museum der Königlichen Universität Breslau« hielt Ferdinand Roemer auch davon ab, ehrenvolle Rufe an andere Hochschulen – etwa nach Göttingen – anzunehmen; an Breslau banden ihn wohl ebenso der dort entstandene Freundeskreis und die späte Gründung eines eigenen Hausstandes mit einer jungen Deutsch-Polin aus Warschau sowie die bequeme Dienstwohnung im Anbau des Institutsgebäudes. Die Wertschätzung, die man seinen wissenschaftlichen Leistungen entgegenbrachte, ist an den zahlreichen Mitgliedschaften in nationalen und ausländischen Naturwissenschaftlichen Gesellschaften und Akademien abzulesen, darunter der Kgl. Preussischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, der Kaiserl. Akademie in St. Petersburg und der Kgl. Bayerischen Akademie der Wissenschaften.

Am 14. Dezember 1891 ist Ferdinand Roemer kurz vor Vollendung des 74. Lebensjahres völlig unerwartet verstorben. Ein in die »Sitzungsberichte der mathematisch-physikalischen Classe der k. b. Akademie der Wissenschaften zu München« des Jahres 1892 aufgenommener Nekrolog hebt beispielsweise hervor: Er »war einer der vielseitigsten Geologen und Paläontologen. Er beherrschte das ganze Gebiet dieser beiden Wissenschaften und übte zugleich als Mineralog eine höchst anregende Lehrthätigkeit aus. ... Als Paläontologe war er in fast allen Theilen des Thierreichs erfolgreich thätig und galt in Deutschland unbestritten als erste Autorität für paläozoische Organismen«. Im Jahr darauf, zum 75. Geburtstag Ferdinand Roemers, wurde im Mineralogischen Museum in Breslau eine Büste des Wissenschaftlers aus Carrara-Marmor von Ernst Seger enthüllt, jenes Bildhauers, der auch die Büste für das 1888 in Neisse errichtete Eichendorff-Denkmal schuf. Die Roemer-Büste ist seit 1945 verschollen.

Glücklicherweise hat ein im Roemer- und Pelizaeus-Museum Hildesheim aufbewahrter Gipsabguß jener Skulptur den Zweiten Weltkrieg unbeschadet überstanden. Bei der in Breslau jüngst übergebenen Büste handelt es sich um eine Kopie davon aus der mineralischen Gußmasse Porcelin; sie wurde von dem eingangs genannten Hans Völkel hergestellt. Es bleibt zu hoffen, daß die Büste einen Platz finden wird, wo sie nicht nur den Geologen und Mineralogen der Universität Breslau, sondern auch anderen Interessenten zugänglich ist, und so wie die im Hauptgebäude der Universität angebrachte Tafel mit den Namen der deutschen Nobelpreisträger, die hier gewirkt haben, von der ruhmreichen Vergangenheit dieser Hochschule kündet.






Erschienen in:
»SCHLESIEN HEUTE« 12/2002, Senfkorn-Verlag A. Theisen, Görlitz/Schlesien
»Hefte für Kultur und Bildung« 3/2004, Nr.44
des Joseph von Eichendorff-Konversatoriums in Oppeln (zweisprachig deutsch und polnisch).




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