Das ehemalige Schloß im oberschlesischen Kreuzburg (jetzt Kluczbork) – Vaterstadt des in München lebenden Schriftstellers Heinz Piontek und seines Ahnen Gustav Freytag – beherbergt heute ein nach »Jan Dzierzon« benanntes Museum, das als Besonderheit eine umfangreiche Sammlung zur Geschichte der Imkerei von den Anfängen im 10. Jahrhundert bis in die Gegenwart aufweist. Ein Raum des Museums ist dem Andenken jenes »Jan Dzierzon« gewidmet, »des Begründers der modernen Bienenzucht«, wie der Besucher erfährt. Unter den hier aufbewahrten persönlichen Erinnerungsstücken fällt eine in lateinischer Sprache abgefaßte große Urkunde besonders auf. Mit ihr hat die Ludwig-Maximilians-Universität München »unter der überaus glücklichen und gesegneten Regentschaft des allerdurchlauchtigsten und großmächtigsten Fürsten Ludwig II., König von Bayern, … dem höchst verehrungswürdigen und berühmten Johann Dzierzon, Pfarrer von Carlsmarkt in Schlesien, … « am 2. August 1872 im Rahmen der Feiern zum 400-jährigen Bestehen der Universität die Würde eines »Doktors der Philosophie und Magisters Artium« verliehen. Die Urkunde weist Ignaz von Döllinger als Rektor der Hochschule und Friedrich Wilhelm Benjamin von Giesebrecht als Dekan der Philosophischen Fakultät aus, auf deren Beschluß die Ehrenpromotion zustande kam.
Wer war dieser schlesische Pfarrer mit dem polnischen Namen? Wo kommt er her, und wie gelangte er zu der Auszeichnung der Münchner Universität? Im übrigen hat man ihm zu Ehren polnischerseits auch eine Stadt, das schlesische Reichenbach im Eulengebirge, »Dzierzoniów« benannt.
Aus einer im Museum erhältlichen zweisprachigen Handreichung geht hervor, daß Johannes Dzierzon 1811 in einer »polnischen Familie in Lowkowice (Lowkowitz) bei Kluczbork« geboren wurde, an der Breslauer Universität Theologie studierte, 1834 zum Priester geweiht wurde und hauptsächlich in der »polnisch-sprachigen« (!) Pfarrgemeinde »Karlowice (Karlowitz)« – Kreis Brzeg (Brieg)« tätig war; gleichzeitig galt seine besondere Liebe der Bienenzucht, worin er Weltberühmtheit durch die Entdeckung der Parthenogenesis (Jungfernzeugung) der Bienen erlangte. 1884 kehrte er in seinen Geburtsort zurück, um sich zusammen mit seinem Neffen »Franciszek« fortan bis ans Lebensende im Jahr 1906 der Imkerei hinzugeben.
In Kreuzburg gibt es auch ein überlebensgroßes Dzierzon-Denkmal, errichtet von der Polnischen Bienenzüchtervereinigung (s. Abbildung). Man kommt daran auf dem Weg nach dem etwa 8 km nördlich der Stadt gelegenen Lowkowitz vorbei. Lowkowitz, das im Dritten Reich »Bienendorf« hieß, ist ein kleines Dorf mit Pfarrkirche und Schule sowie einem Kulturhaus als neuester Errungenschaft. Die an der Straße eingangs des Orts stehende Grundschule trägt den Namen Dzierzons, der ihr »anläßlich des 1000-jährigen Bestehens des Polnischen Staates und des 60. Todestags des großen Sohns von Lowkowice verliehen« wurde – wie auf einer ins Mauerwerk eingelassenen weißen Steintafel zu lesen ist. Auf dem Friedhof stößt man beim Gang durch das Hauptportal (gegenüber dem Pfarrhof) nach ein paar Schritten linker Hand vor der Kirche auf die Grabstätte des berühmten Mannes: erkennbar an dem die umliegenden Grabmäler überragenden Kreuz aus hellem Marmor auf ebensolchem Sockel mit deutscher Inschrift (s. Abbildung) und seinem darunter gesetzten Wahlspruch »Wahrheit, Wahrheit über alles!« Seitlich ist in den Stein gemeißelt, daß das Denkmal »von dankbaren Imkerfreunden errichtet« wurde. Die über den Grabhügel gelegte weiße Marmorplatte wurde, wie darauf in Polnisch steht, von der Bevölkerung des Kreuzburger Landes zum 60. Todestag am 26.10.1966 gestiftet und mit folgendem Text versehen: »Hier liegt der große Gelehrte, Schöpfer der zeitgenössischen Imkerei, glühende Patriot und Verteidiger des polnischen Volkes in Schlesien Ks. Dr. Jan Dzierzon.«
Eine alte deutsche Dorfbewohnerin, mit der ich ins Gespräch komme, weist mich auf das hinter der Kirche und Schule in der »ulica Ks. Dr Jana Dzierzona« gelegene Kulturhaus hin, das unlängst an der Stelle des abgerissenen Gehöfts erbaut wurde, wo der »schlesische Bienenvater« – wie sie sich ausdrückt – aufwuchs und die Dzierzons vor ihm und nach ihm bis Kriegsende ansässig waren. Auf einer an diesem Haus angebrachten zweisprachigen (deutsch-polnisch) abgefaßten Tafel heißt es: »Kulturhaus ›Pfr. Dr. Jan Dzierzon‹ in Lowkowice, mit gemeinsamen Bemühungen für die gemeinsame Zukunft erbaut von Geldmitteln des Fonds ›Schlesische Entwicklung in Opole‹, des Stadtamtes in Kluczbork und der Dorfbewohner – 1998.«
Die Frau brachte sodann stolz eine alte Ortschronik aus ihrer Wohnung, die von dem 1891 geborenen Hoferben Alois Dzierzon verfaßt wurde, der in der Zeit vom 1.11.1938 – 19.1.1945 hier Bürgermeister war. Darin ist z.B. festgehalten, daß die Chaussee, die durch den Ort führt, im Jahr 1886 zur Hebung der Bienenzucht mit Linden bepflanzt wurde. Darauf folgt ein zweiseitiger Einschub über den hier am 16. Januar 1811 als Sohn des Bauern Simon Dzierzon und seiner Ehefrau Maria geborenen Bienenzüchter Pfarrer Dr. Johannes Dzierzon, durch den Lowkowitz Weltruhm erlangt hat. Neben bereits Bekanntem über seinen Werdegang erfährt man daraus, daß er schon in Karlsmarkt (so der Name des Ortes zu deutscher Zeit – und nicht Karlowitz!) an die 400 Bienenstöcke hatte und ferner, daß er sich nach Verkündigung des Vatikanischen Konzils am 18. Juli 1870 der zum Altkatholizismus führenden Gegenbewegung anschloß und in der Folge sein geistliches Amt aufgeben mußte, jedoch ein Jahr vor seinem Tod wieder in den Schoß der Katholischen Kirche zurückgekehrt ist. Der Beitrag schließt mit dem Eintrag: »Am 26. Oktober 1931, an seinem 25. Todestage, wurde an seinem Hause in Lowkowitz-Grenzhäuser eine bronzene Gedenktafel, gegossen in der Hütte Gleiwitz, enthüllt, gestiftet vom Deutschen und Oberschlesischen Imkerbund. Der Herr Regierungspräsident Lukaschek, Landrat Dr. von Baerensprung und Pfarrer Scholtyssek, sowie Herren vom Imkerbund, wohnten der Enthüllung bei und besuchten nachher sein Grab auf dem hiesigen Friedhof.«
Der große Name hat diesen Alois Dzierzon (und seine Familie) jedoch nicht davor bewahrt, durch den Krieg sein Hab und Gut zu verlieren und aus der Heimat ausgewiesen zu werden; 1963 ist er im sächsischen Delitzsch bei Leipzig verstorben. Ein ähnliches Schicksal war den Nachfahren des Neffen Franz Dzierzon aus dem Ortsteil Grenzhäuser (an der Gemeindegrenze) beschieden. In dem Haus, in dem Pfarrer Dzierzon einst seinen Lebensabend verbrachte, erinnert ein Gedenkraum an ihn; auf dem Anwesen ist nunmehr eine Bienenzuchtstation eingerichtet. Die Angehörigen dieser beiden (und weiterer) Familienzweige leben heute in Deutschland, überwiegend in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Bayern.
Auch in Karlsmarkt, der ehemaligen Wirkungsstätte Dzierzons als Pfarrer, mache ich einige interessante Entdeckungen. Der kleine Marktflecken liegt am westlichen Rand des ausgedehnten Waldgebietes zwischen Kreuzburg und Brieg, etwa 20 km östlich von Brieg an der Bahnlinie von Breslau nach Oppeln. Obwohl es in dem Ort eine »ulica Dzierzona« gibt, zucken die Leute, die ich in der Nähe der Kirche nach Dzierzon frage, ratlos mit den Schultern; dabei stehe ich fast vor dem gesuchten Haus (ulica Koscielna Nr. 7), wie die über der Haustüre angebrachten schwarzen Steintafeln verraten (s. Abbildung). Der kleingeschriebene Text der beiden letzten Zeilen lautet: »Seinem Mitbegründer von 1855 zum ehrenden Gedächtniß gewidmet vom Brieger Bienenzücherverein 1925.« Als Pendant dazu befindet sich an der Wand rechts neben dem Treppenaufgang zur Haustür eine weitere Steintafel mit verwitterter polnischer Inschrift: »In diesem Haus arbeitete in den Jahren von 1869 bis 1884 Jan Dzierzon, Stolz und Ruhm der polnischen Wissenschaft. Er war ein großer Sohn des schlesischen Landes. Unermüdlich untersuchte er das Leben der Bienen, welches durch die Entdeckung des Phänomens der Parthenogenese die Wissenschaft beförderte und die Naturwissenschaften auf neue Geleise brachte.« Aus dem Nachsatz geht hervor, daß die Tafel am 26.10.1956 zum 50. Todestag des Gelehrten von seinen Verehrern und zum Andenken an die Nachlebenden von der Polnischen Bienenzüchtervereinigung in »Karlowice« gestiftet wurde.
Wieder zurück in München, konnte im Archiv der Ludwig-Maximilians-Universität in der Tat die Vorlage für die im Kreuzburger Museum gesehene Promotionsurkunde nachgewiesen werden (s. Abbildung). Außerdem enthalten die dort verwahrten Unterlagen einige aufschlußreiche Details über die Festlichkeiten der 400-Jahrfeier der Hochschule und die Verleihung der Ehrenpromotionen aus diesem Anlaß sowie darüber, wie der schlesische Pfarrer zu dieser Auszeichnung kam.
Über letzteres gibt ein Brief des Zoologie-Professors und Emeritus der Ludwig-Maximilians-Universität München, Karl Theodor Ernst von Siebold (Sproß der bekannten Würzburger Gelehrtenfamilie) Auskunft, den dieser am 14. Juli 1872 aus Wildbad im Schwarzwald, wo er zusammen mit einem anderen berühmten Wissenschaftler dieser Hochschule, Justus von Liebig, zur Kur weilte, an den Dekan der Philosophischen Fakultät von Giesebrecht richtete. Darin schreibt er: »Durch den Dekan der Medizinischen Fakultät bin ich gefragt worden, ob ich vielleicht eine Persönlichkeit zu bezeichnen hätte, welche bei den bevorstehenden Jubelfeiern zur Ehrenpromotion sich eigne. Ich habe allerdings eine solche Persönlichkeit im Auge, die sich aber weniger für einen Doctor medicinae, sondern besonders für einen Doctor philosophiae eignet, und dafür erlaube ich mir, wenn es noch Zeit ist, Ew. Spektabilität auf den katholischen Pfarrer Dzierzon in Carlsmarkt (Schlesien) aufmerksam zu machen, der eine solche Ehrenbezeigung wohl verdient. Derselbe ist der Gründer der rationellen Bienenzucht und hat außerdem der zoologischen und physiologischen Wissenschaft einen sehr wichtigen Beitrag geliefert, indem er die Parthenogenesis als den Hauptmoment durch Induktion feststellte, durch welchen allein der ganze, höchst complicirte und bis Dzierzon immer im Dunkeln gebliebene Bienen-Haushalt verständlich geworden ist. Zugleich war es seit Dzierzon erst möglich geworden, die Parthenogenesis als ein bedeutungsvolles Glied der verschiedenen Fortpflanzungsarten der Thiere in die Wissenschaft einzuführen.«
Aufgrund dieses Vorschlags, so ist den Unterlagen des Universitätsarchivs zu entnehmen, wurde Johann Dzierzon dann am 2. August 1872 bei einem Festakt in der großen Aula der Universität, umrahmt von Beethovens Ouverture »Die Weihe des Hauses« und dem Finale der Symphonie Haydns, die dieser für seine Ehrenpromotion in Oxford komponiert hatte, die Würde eines Doctors der »Philosophie honoris causa« verliehen – und mit ihm einer größeren Zahl weiterer herausragender Persönlichkeiten. Die Naturwissenschaften bildeten damals in München, muß man wissen, noch keine eigene Fakultät, sondern eine Sektion innerhalb der Philosophischen Fakultät. Der zu jener Zeit an der Spitze der Universität stehende angesehene Theologe und Kirchenhistoriker Ignaz von Döllinger war – wie Dzierzon – wegen des auf dem 1. Vatikanischen Konzil 1869 – 70 verkündeten Dogmas von der Unfehlbarkeit des Papstes in Konflikt mit der Katholischen Kirche geraten; für von Döllinger hatte dies 1871 die Exkommunikation zur Folge.
Als weitere ergiebige Informationsquelle über Dzierzon erwies sich die »Bayerische Landesanstalt für Bienenzucht« in Erlangen (jetzt »Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau - Fachzentrum Bienen « in Veitshöchheim) mit ihren reichen Beständen an Fachzeitschriften und -büchern. Allen voran ist hier die von den beiden ›Eichstädtern‹ (wie man damals schrieb), dem Gerichtsarzt Dr. Karl Barth und dem Seminarlehrer Andreas Schmid herausgegebene, in der C.H.Beck’schen Verlagsbuchhandlung in Nördlingen gedruckte »Bienen-Zeitung« zu nennen; bereits im September 1845, im ersten Jahr ihres Erscheinens konnte sie eingangs darauf hinweisen, daß als verehrter Mitarbeiter beigetreten ist »Herr Dzierzon, Pfarrer in Karlsmarkt, Brieger Kreis, bei Karlsruhe in Mittelschlesien«. In der November-Ausgabe dieses Jahrgangs meldete Dzierzon sich sodann zu einem von Herrn Direktor Stöhr, Würzburg erstellten »General-Gutachten über alle in den Monatsblättern abgehandelten Fragen aus der Lehre über die Bienenzucht« zu Wort. Darin ging es insbesondere um die Frage, wie aus den Eiern einer (nur ein einziges Mal, auf ihrem Hochzeitsflug) begatteten Bienenkönigin männliche Tiere (Drohnen) oder weibliche Tiere (Arbeitsbienen und Königinnen) hervorgehen. Hören wir, was Dzierzon hierzu zu sagen hatte: »Bei der Begattung wird nicht der Eierstock befruchtet, sondern der Samen(be)hälter gefüllt … Zum ersten Male spreche ich hier meine Ansicht öffentlich aus und lege sie allen Sachverständigen zur Begutachtung vor … daß die Drohneneier einer Befruchtung nicht bedürfen, … während das Ei, aus welchem eine Königin oder Arbeitsbiene sich entwickeln soll, mit dem gefüllten Samen(be)hälter in Berührung treten muß. Es ist dies freilich nur eine Hypothese und wird es wohl auch bleiben, welcher aber jeder genaue Beobachter eben so wenig seinen Beifall wird versagen können, als der Hypothese des Kopernikus, daß die Erde sich um ihre Axe drehe. Denn alle räthselhaften Erscheinungen im Bienenstaate werden durch sie sehr einfach erklärt.«
Daß die Bienenkönigin im Augenblick der Eiablage über das Geschlecht ihrer Nachkommen bestimmen und Leben aus unbefruchteten Eizellen entstehen können soll (Parthenogenese), erregte großes Aufsehen und rief heftigen Widerspruch hervor. In dem darüber erbittert geführten Gelehrtenstreit stand Dzierzon u.a. der genannte Zoologe von Siebold bei, der seinerzeit an der Universität Breslau lehrte und die Parthenogenese auch bei anderen Insekten nachweisen konnte. An dem Disput um seine Entdeckung beteiligte Dzierzon sich selbst in Wort und Schrift. Eine große Zahl von Aufsätzen – der weitaus größte Teil in der Eichstädter bzw. Nördlinger Bienen-Zeitung, der er bis zu seinem Tod die Treue hielt – floß aus seiner Feder, und in einigen (in Brieg und Kreuzburg herausgebrachten) stark beachteten Büchern faßte er seine Erkenntnisse und Erfahrungen in der Bienenzucht zusammen – alles in deutscher Sprache. Dies machte ihn weithin bekannt und berühmt. Zudem beteiligte er sich bis ins hohe Alter an den alljährlichen Wanderversammlungen der deutschen, später mit einbezogenen österreichischen und ungarischen Bienenzüchter, die er als wichtige Diskussionsforen jener Zeit selbst mitbegründet hatte. Auf einer dieser Versammlungen schloß er seinen Vortrag angesichts der immer wieder aufflammenden Auseinandersetzungen um die neue Lehre mit den Worten: »Wahrheit, Wahrheit über alles. Trug und Täuschung werden vergehen – aber Wahrheit wird bestehen!«
Unter den zahlreichen Orden und Ehrenzeichen, die Dzierzon zuteil wurden, ist auch der bayerische Verdienstorden vom Hl. Michael. Der aus einem alten adeligen Ritterorden hervorgegangene, von König Ludwig I. begründete Orden wurde ihm im Frühjahr 1890 von Prinzregent Luitpold auf Vorschlag des »Kgl. Bayer. Staats-Ministeriums des Innern, Abtheilung für Landwirtschaft, Gewerbe und Handel« verliehen. In der Ordensbegründung, die im Bayerischen Hauptstaatsarchiv eingesehen werden konnte, wird hervorgehoben, daß »Dr. Dzierzon unbestritten als der bedeutendste der lebenden Bienenzüchter gilt und er sich um die Gründung und Herausgabe der seinerzeit von dem verstorbenen Seminarlehrer und Präfekten Andreas Schmid in Eichstätt redigierten Bienenzeitung große Verdienste erworben … hat. Seiner uneigennützigen Thätigkeit ist es zu verdanken, daß die erwähnte Bienenzeitung, welche auch gegenwärtig noch in Bayern erscheint, unter den einschlägigen Fachorganen den ersten Rang einnimmt.« Weiter ist dort zu lesen, »… da Dr. Dzierzon auch außerdem keine Gelegenheit verabsäumt hat, … der bayerischen Bienenzucht mit Rath und That förderlich an die Hand zu gehen, genießt derselbe in den Kreisen der bayerischen Bienenzüchter hohe Achtung und Verehrung. Seine Auszeichnung würde daher nicht nur dankbar begrüßt werden, sondern auch der einheimischen Bienenzucht zur Aufmunterung dienen.« Wegen des zu wählenden Ordensgrades war das übliche »vorgängige Benehmen« mit der Königlich Preußischen Regierung hergestellt worden, welches ergab, daß die »IV. Klasse als der den persönlichen und Rangverhältnissen des zu Ehrenden angemessene Ordensgrad erscheine.« Den Roten Adler-Orden IV. Klasse des Preußischen Königs und Deutschen Kaisers bekam er übrigens elf Jahre später, zum 90. Geburtstag.
Als Dzierzon im Jahr 1906 starb, nahm die ganze Fachwelt davon Kenntnis. Beispielsweise brachten auch die US-amerikanischen »Gleanings in Bee Culture« und das »American Bee Journal« ehrende Nachrufe. Das Wiener satirische Blatt »Figaro« widmete dem Verstorbenen gar ein Gedicht, das in liebenswürdiger Weise darauf anspielt, daß Dzierzon es auch verstand, aus der von ihm propagierten ›Rationellen Bienenzucht‹ selbst Nutzen zu ziehen:
Bleibt noch die viele Gemüter bewegende Frage, welcher Nation Dzierzon nun wirklich angehöre, der polnischen oder der deutschen. Meines Erachtens ist es müßig, darüber zu streiten. Manches von dem, was dazu von polnischer Seite zu hören war und ist, dürfte eher zeitbedingt sein. Auch die Museums-Schrift, aus der eingangs zitiert wurde, räumt letztlich ein, daß Dzierzon – aus den Erfahrungen der polnischen Imkerei schöpfend – sein Wissen im deutschen Kulturkreis gewann. Zusätzlich weist sie darauf hin, er habe sich dagegen gewehrt, seine Leistungen für eine bestimmte Nation zu qualifizieren, und betont, die Wissenschaft kenne keine Grenzen, sie sei gemeinschaftliches Eigentum. Daraus wird sodann das versöhnliche Fazit gezogen, dem auch von hiesiger Seite beizupflichten ist: »Durch sein bedeutendes Werk kann Johannes Dzierzon beide Nachbarländer – Polen und Deutschland – verbinden.«