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350. Todestag
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Ausstellung in
Neisse

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Im Himmlischen geborgen ...
Christoph-Scheiner-Gedenkausstellung im schlesischen Neisse/Nysa

Am 8. September 2001 wurde im Museum der Stadt Neisse/Nysa die zuvor schon an mehreren Orten Bayerns und Nordrhein-Westfalens sowie in Wien gezeigte Ausstellung über Christoph Scheiner eröffnet, den gelehrten Jesuiten, der 1575 nahe der schwäbischen Stadt Mindelheim das Licht der Welt erblickte und 1650 im einst »schlesisches Rom« genannten Neisse verstorben ist und dort begraben wurde. Die Ausstellung gilt dem Menschen und Wissenschaftler, der durch die Entdeckung der Sonnenflecken (unabhängig von Galileo Galilei), seine Studien zur physiologischen Optik des Auges und die Konstruktion des Pantographen (eines Geräts zum mechanischen Vergrößern oder Verkleinern von Zeichenvorlagen) Berühmtheit erlangte; sie wurde vom Stadtmuseum Ingolstadt (Scheiner war Professor an der »Hohen Schule« in Ingolstadt, der ersten bayerischen Landesuniversität) in Zusammenarbeit mit dem Archiv der Jesuiten in München und dem Deutschen Museum in Bonn konzipiert.

Dank der finanziellen Unterstützung durch den Beauftragten der Deutschen Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien konnte die Ausstellung unter Mithilfe der Stiftung Haus Oberschlesien nach Neisse transferiert und den Schautafeln ein polnischer Text beigegeben werden. Das Neisser Museum präsentierte aus seinem, offenbar vom dortigen Jesuitenkolleg mit Gymnasium übernommenen Fundus zusätzlich verschiedene astronomische Instrumente und konnte mit einem hierzulande bislang unbekannten Altersportrait Scheiners aufwarten, das bei meinen Recherchen im Frühjahr 2000 zum Vorschein gekommen war, sowie mit einer Abbildung jenes Portraits neueren Ursprungs, das bis 1945 im Gymnasium zu sehen gewesen sein soll; es entpuppte sich überraschenderweise als Ausschnitt des großartigen Ölgemäldes in Baßgeigenform aus dem Ingolstädter Museum, von dem noch zu reden sein wird.

Das Museum in Neisse ist in dem 1945 ausgebrannten, später wiederaufgebauten barocken ehemaligen Bischofspalais in der ul. Biskupa Jaroslawa (früher Bischofsstraße) untergebracht, in dem die Breslauer Bischöfe lange Zeit residierten. Die Straße hat ihren jetzigen Namen nach dem 1201 gestorbenen Herzog Jaroslaw erhalten, der über das Oppelner Land gebot und wie viele andere weltliche Fürsten nach ihm Bischof von Breslau war. Die feierliche Eröffnung der Christoph-Scheiner-Ausstellung fand in dem saalartigen Gang in der ersten Etage des Gebäudes statt, den man unter den Blicken des Fürstbischofs Karl Ferdinand Wasa, Prinz von Polen, betritt. Sein Portrait in ovalem Rahmen hing einst in der prächtigen Aula des noch immer nach Bischof Karl, Erzherzog von Österreich, Carolinum genannten Gymnasiums – zusammen mit einem gleichartigen Bild Karls, der die Jesuiten nach Neisse berufen und das Gymnasium gestiftet hat. Bischof Karl Ferdinand Wasa schuf mit einem großzügigen Vermächtnis die finanzielle Basis für die nach seinem Tod errichteten Bauten der Jesuiten; verwirklicht wurden sie wie auch das Bischofspalais in der langen Regierungszeit des im bayerischen Neuburg an der Donau geborenen weiteren Breslauer Bischofs Franz Ludwig von Pfalz-Neuburg, der auch Kurfürst und Erzbischof von Trier, später von Mainz, war.

Die Direktorin des Museums, Frau Elina Rominska, konnte eine große Zahl von Besuchern begrüßen, die sich trotz der zur gleichen Zeit vor dem (im Wiederaufbau begriffenen) Rathaus abgehaltenen Kundgebung zu den bevorstehenden Sejm-Wahlen eingefunden hatten, darunter auffallend viele Schüler und Jugendliche. Besonders hervorgehoben wurden Prälat Mikolaj Mróz von der St. Jakobuskirche in Neisse, der Superior des Jesuitenkollegiums von Glatz/Klodzko Józef Steczek, Pater Prof. Ludwig Grzebien vom Ordensgeschichtlichen Institut der Jesuiten in Krakau, Frau Dr. Irena Garczynska vom Astronomischen Institut der Universität Breslau, Herr Dr. Adolf Kühnemann vom Joseph-von-Eichendorff-Konversatorium Oppeln/Opole und meine Anwesenheit. Erzbischof Prof. Alfons Nossol von Oppeln bedauerte in einem verlesenen Brief, daß er infolge einer von ihm zu leitenden katholisch-lutherischen Versammlung nicht zugegen sein könne. Musikalisch umrahmt wurde die Veranstaltung durch drei bezaubernde, von einem Studenten der Musikakademie Bromberg/Bydgoszcz virtuos vorgetragene Klavierstücke von Chopin, Paderewski und Liszt.

Im Anschluß daran bat die Direktorin unprogrammgemäß mich als Vermittler der Ausstellung um ein paar Worte. Von den »Ausstellungsmachern« aus München, die wegen anderer unabweisbarer Verpflichtungen nicht kommen konnten, überbrachte ich zunächst die mir aufgetragenen herzlichen Grüße. Sodann gab ich mich als ein in der Nähe von Lubowitz/Lubowice bei Ratibor/Racibórz, der Heimat des Dichters Joseph von Eichendorff geborener Oberschlesier zu erkennen und erinnerte mich des ersten Besuchs in Neisse im September 1989, noch vor dem Fall des »Eisernen Vorhangs«, und meiner Erschütterung über den vom Krieg fürchterlich zugerichteten Ring. Ich erzählte, daß ich unter dem Eindruck des Gesehenen dem Deutschen Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl vor dessen denkwürdigem Staatsbesuch in Polen im November desselben Jahres einen Brief geschrieben und darin angeregt habe, eine Art »Denkmalfonds« zur Erhaltung und Wiederherstellung wertvoller Kulturdenkmäler in den früheren deutschen Provinzen einzurichten mit Anreizen zur Einzahlung durch die Wirtschaft und von privater Hand, und daß ich erstaunlicherweise eine von ihm unterzeichnete Antwort bekam, in der er auf die zwischenzeitlich am 14. November 1989 in Warschau mit dem Polnischen Ministerpräsidenten Tadeusz Mazowiecki abgegebene »Gemeinsame Erklärung« hinwies; darin war die Errichtung eines Fonds zur Finanzierung von Projekten gemeinsamen Interesses in Polen vorgesehen – ein Gedanke, der offenbar in der Luft lag. Bekanntlich ist dieser von der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit verwaltete sog. Zloty-Fonds im Jahr 1991 zustande gekommen; durch ihn konnte in den vergangenen 10 Jahren viel Gutes bewirkt werden; in Neisse beispielsweise der Bau des Klemens-Neumann-Hauses neben dem Pfarrhaus von St. Jakobus – dessen Name an den Mitbegründer des katholischen Jugendbunds »Quickborn« und Herausgeber des wichtigsten Liederbuches der deutschen Jugendbewegung »Der Spielmann« erinnert, der hier gewirkt hat und gestorben ist.

Weiter kam ich darauf zu sprechen, daß ich seither jedes Jahr ein oder mehrmals in Schlesien bin (jeweils begleitet von meiner aus Bayern stammenden Frau) und es mir zur Aufgabe gemacht habe, Verbindungen auf kulturellem Gebiet zwischen Bayern und Schlesien aufzuzeigen oder neu zu knüpfen. 1999 sei ich beispielsweise auf den »Schlesischen Bienenvater« Dzierzon gestoßen, den Namensgeber des Museums in Kreuzburg/Kluczbork, in dem eine Urkunde über die Verleihung der Ehrendoktorwürde durch die Universität München seine engen Beziehungen zu Bayern vor Augen führt, und im Jahr darauf bin ich den Spuren des schwäbischen Mathematikers und Astronoms Christoph Scheiner zum hiesigen Gymnasium Carolinum gefolgt, wo er Gründungsrektor war. Darüber habe ich in »Schlesien heute« und im »Schlesischen Kulturspiegel« erschienene Artikel geschrieben. Letzterer wurde von Dr. Kühnemann dankenswerterweise für die von ihm herausgegebenen zweisprachigen »Hefte für Kultur und Bildung« übersetzt und so den polnischen Lesern zugänglich gemacht; die davon ausgelegten Sonderdrucke würden das vom Museum zur Ausstellung vorbereitete kleine Faltblatt gut ergänzen. Zum Dank für die erhaltene Unterstützung bei der Spurensuche im Museum, in der ehemaligen Jesuitenkirche und im Gymnasium Carolinum hätte ich mich dafür eingesetzt, die Christoph-Scheiner-Ausstellung hierher zu bringen, welcher ich abschließend viele interessierte Besucher wünschte – insbesondere auch seitens des Carolinum, was mir als ehemaligem Gymnasiallehrer besonders am Herzen liege.

Nach diesem Exkurs trug mgr Krzysztof Pawlik vom Museum einen Vortragstext von Frau Dr. Rita Haub, der Leiterin des Archivum Monacense SJ, und Herrn Pater Richard Müller, dem Leiter des Kommunikationsreferats der Jesuiten in Zentraleuropa, beide aus München, über »Christoph Scheiner – Jesuit und Astronom« sowie über »Die Bedeutung der Astronomie für die Gesellschaft Jesu« in polnischer Übersetzung vor. Dabei wurde deutlich, warum die Astronomie ein »Lieblingskind« der Katholischen Kirche und besonders der Jesuiten war: Mit ihrer Hilfe sollte der Mensch aus dem Bann abergläubischer Astrologie befreit und überzeugt werden, daß man etwas von den »Dingen des Himmels« – den sichtbaren und unsichtbaren – verstehe. Auch auf dem Mond seien die Mitglieder der Societatis Jesu »zu Hause«, wie insgesamt 32 mit »SJ« endende »Anschriften« erkennen ließen, etwa der nach Christoph Scheiner benannte stattliche Krater nahe dem Südpol des Erdtrabanten mit einer Wallhöhe von 6.000 Metern. – Vielleicht wird es ja auch in Neisse wieder einmal eine Scheinerstraße geben, wie dies zu deutscher Zeit der Fall war...

Die schließlich für die Gäste und die Öffentlichkeit freigegebene Ausstellung ist bis 31. Oktober 2001 zu den üblichen Öffnungszeiten des Museums zu sehen. Erfreulicherweise konnte ihr im Oktober noch als »Aushängeschild« und Blickfang eine einen Quadratmeter große Fotoreproduktion des Ingolstädter »Baßgeigenbildes« hinzugefügt werden. Dieses Bild verbleibt zur Erinnerung an den bedeutenden Wissenschaftler und angesehenen Ordensmann Christoph Scheiner in Neisse.






Erschienen in:
»Unser Oberschlesien« Nr. 20, 2001 vom 27.10.2001
»Kulturpolitische Korrespondenz« Nr. 1139/1140 vom 10.11.2001 der Stiftung Ostdeutscher Kulturrat




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